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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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knapp.
    Zu ihrer Verwunderung beruhigte sie diese Versicherung ein wenig. Forschend musterte sie ihn. Anders als am Morgen in der Schuppen, als sie über den Zeugen gesprochen hatten, wich er ihrem Blick nicht aus.
    »Damals, als Ihr mich in dem abgebrannten Gehöft gefunden und mir angedroht habt, mich der Inquisition zu übergeben, wenn ich nicht mit Euch käme, hättet Ihr dies tatsächlich getan?« Ihre Stimme hatte einen spröden Klang.
    »Ich hätte versucht, Euch in die Nähe des nächsten Dominikanerklosters zu bringen. Allein, um Euch zum Einlenken zu bewegen. Aber dass ich Euch der Inquisition ausgeliefert hätte … Nein, dazu habt Ihr zu viel über meinen Auftrag und mich gewusst.«
    Sie musterte ihn noch immer. Das Tor, die brennende Fackel, über der die Schneeflocken zerschmolzen. Und ein Mann, der ein wachsames Gesicht hatte und hinter einem Karren stand. »Warum habt Ihr mir damals am Tor des Klosters geholfen?«
    »Warum?« Er starrte sie überrascht an. »Ich weiß es selbst nicht genau. Vielleicht wegen Eurer Angst und Eurem Zorn. Jedenfalls wollte ich zuerst nichts unternehmen, als ich Euch auf das Tor zulaufen sah. Und ich kann Euch versichern, ich habe mir danach oft genug gewünscht, dass ich keinen Finger für Euch gerührt hätte.« Beinahe herausfordernd fügte er hinzu: »Wisst Ihr jetzt genug? Andernfalls sollten wir wohl doch lieber jeder für sich den Weg fortsetzen.«
    »Nein, das ist nicht nötig«, sie schüttelte den Kopf. »Ihr habt mir gesagt, was ich wissen wollte.«
    Als sie wenig später hintereinander weiter den Hang hinaufstiegen, empfand Donata eine zaghafte Freude – und wunderte sich über sich selbst.

V ier Tage später schaute Donata von einem gerodeten Hang aus auf ein Gehöft hinunter, das in einem breiten Taleinschnitt lag. Das Wohngebäude, ein zweiflügeliger Fachwerkbau, ruhte auf einem Steinsockel. Der hölzerne Erker auf der Südwestseite des Hauses besaß sogar ein verglastes Fenster. In ihm spiegelte sich das Licht der späten Nachmittagssonne. Etliche große Schuppen und Scheunen standen beidseits des Hofs – ein reiches Gut, das sehr wohl einem Adeligen und Gefolgsmann eines Königs gehören mochte. Ein Mann, der den groben Kittel eines Knechts trug, schob einen Karren mit dampfendem Mist über den Hof. Für einen Moment glaubte Donata, die Wärme spüren zu können, die davon ausging. Auch hier, in der windgeschützten, sonnenbeschienenen Mulde, in der sie und Roger sich aufhielten, war es recht warm. Zum ersten Mal, seit sie Köln verlassen hatte, glaubte sie, einen Hauch von Frühling in der Luft wahrzunehmen, und sie hoffte, dass der lange, eisige Winter in nicht allzu ferner Zeit enden würde.
    Sie warf Roger einen raschen Blick zu. Während der letzten Tage war sein Bart nachgewachsen und bedeckte sein Gesicht mit dünnen Stoppeln. Wachsam, aber auch versonnen schien er die Ansammlung von Gebäuden zu betrachten. Bald wird sich klären, dachte sie, ob der Besitzer des Gehöfts jener Zeuge ist, den wir suchen, oder nicht. Und es würde sich ebenfalls nur zu bald herausstellen, ob Roger wirklich plante, sich an ihre Abmachung zu halten, oder er sie doch noch hintergehen wollte. Seit er ihr in den Weinbergen nachgekommen war, hatte sie ihm vertraut. Aber war es möglich, einem anderen Menschen jemals wirklich zu trauen? Sie begriff plötzlich, wie sehr es sie treffen würde, wenn Roger sie doch hintergehen würde. Und dies nicht nur, weil ihr damit die einzige, wirkungsvolle Waffe aus der Hand genommen werden würde, die sie gegen den Kardinal besaß.
    Roger wandte sich ihr zu. »Das Haus ist größer geworden. Den Erker gab es damals noch nicht. Aber das Gut hatte zu jener Zeit auch noch einen anderen Besitzer …«
    »Ihr wart schon einmal hier?«
    »Ja, mit meinem Großvater.«
    »Für einen Waisenjungen seid Ihr weit herumgekommen.« Sie sagte es ohne Spott.
    »Ich war bei Jagdgesellschaften dabei, bei denen mein Großvater als Falkner diente.« Noch einmal bedachte er das Gehöft mit einem langen, nachdenklichen Blick, ehe er meinte: »Kommt, wir sollten gehen.«
    Als sie kurz darauf durch die Öffnung in der Hecke traten, die die Gebäude schützend umgab, stürzte ein Rudel großer, gefleckter Hunde auf sie zu. Auf einen Ruf des Knechts hin, der den Mist auf einen Haufen neben einer Scheunenwand gekippt hatte, beruhigten sich die Tiere jedoch etwas und blieben knurrend stehen. Die Heugabel auf der Schulter und nicht übermäßig schnell, näherte

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