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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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der Knecht sich ihnen.
    »Ich suche deinen Herrn, den Besitzer des Guts«, ergriff Roger das Wort. »Ich bin ein wandernder Arzt und möchte ihn um Erlaubnis bitten, meine Heilkunst hier ausüben zu dürfen.«
    »Der Besitzer des Gehöfts bin ich …« Von den Ställen her und von ihnen unbemerkt, war ein großer Mann auf sie zugetreten. Er war mittleren Alters und trug einen mit Pelz gefütterten Umhang. Sein Gesicht war gut aussehend, mit festen, strengen Zügen. »Und was einen Arzt betrifft – niemand hier benötigt einen. Außerdem halte ich ohnehin nicht viel von euch herumziehendem Volk.«
    »Ich habe an der Universität in Salerno studiert und übertreffe mit meiner Kunst sicher jeden Arzt, der sich jemals auf Eurem Besitz aufgehalten hat«, spielte Roger seine Rolle. »Aber auch wenn glücklicherweise niemand auf dem Gehöft leidend ist – wofür wir Gott danken sollten –, ich besitze auch Mittel, die es ermöglichen, Gebrechen vorzubeugen. Eine Salbe gegen Gicht beispielsweise oder Kräuter, die das Fieber schon in seinen Anfängen vertreiben …«
    »Ich denke doch, dass wir gut darauf verzichten können.« Der Hofbesitzer ließ sie stehen und ging weiter. Roger schaute zu Donata. Als er sah, wie sie leicht den Kopf schüttelte, hatte er das Gefühl, dass die Enttäuschung wie eine große Faust in seinen Magen hieb.
    »Aber ich habe gehört, dass Odilo, der zu den Gefolgsleuten Heinrichs, des Königs, gehört, die Künste von auswärtigen Ärzten zu schätzen weiß«, rief er ihm nach.
    Der Mann drehte sich um und runzelte ärgerlich die Stirn. »Ich bin nicht Odilo und ich habe nicht vor, über diese Sache noch länger mit dir zu streiten.«
    »Ihr seid nicht Odilo?«
    »Nein, du verwechselst mich mit meinem Halbbruder.«
    »Aber ich habe in einem Dorf, das gut eine Wegstunde entfernt ist, nach diesem Mann gefragt, gerade weil ich wusste, dass er die Heilkunst schätzt …« Roger gab seiner Stimme einen vorwurfsvollen Ton.
    Der Hofbesitzer kam wieder einige Schritte auf sie zu, während er einem Hund, der angefangen hatte, mit einem anderen aus der Meute zu raufen, einen scharfen Befehl zurief. Das Tier gehorchte sofort.
    »Mein Halbbruder gehörte zwar zu Heinrichs Gefolge«, bemerkte er trocken, »aber es ist mir neu, dass er sonderlich viel für die Heilkunst übrig hat. Jedenfalls, ich bin Frowin. Und was die Sache anbelangt, dass man dir im Dorf eine falsche Auskunft gegeben hat – bis vor einem guten halben Jahr lebte Odilo tatsächlich mit seiner Familie hier. Dann starb unser gemeinsamer Vater. Mir fiel dieses Gut zu und Odilo ein anderes, das gut drei Wegstunden von hier entfernt ist … Manchmal vergessen das die Leute.«
    Roger betrachtete den Himmel. Die Sonne hatte den Zenit schon weit überschritten. Auch wenn er und Donata keine Schwierigkeiten haben sollten, den Weg zu Odilos Gut zu finden – was wenig wahrscheinlich war –, vor Einbruch der Dunkelheit würden sie es auf keinen Fall erreichen.
    Er verbeugte sich. »Herr, wenn ich Euch verspreche, dass ich weder Euch noch Euer Gesinde mit meiner Heilkunst und meinen Salben behellige – würdet Ihr es dann mir und meiner Gefährtin erlauben, in einem Eurer Ställe zu schlafen? Es ist noch sehr kalt, um irgendwo draußen im Wald die Nacht zu verbringen …«
    Frowin musterte Roger und Donata. Schließlich nickte er und wies auf den Knecht, der gerade mit einer neuen Karre voller Mist aus einem der Ställe kam. »Du hast Recht. Bei diesem Wetter ist es kein Vergnügen, draußen zu schlafen. Lasst euch von ihm einen Schuppen zeigen, wo ihr bleiben könnt.«

    *

    Der Knecht führte Roger und Donata auf den Heuboden einer großen Scheune. Dort aßen sie die Reste eines Hasen, den Roger am Vortag erlegt hatte. Danach erklärte Donata, sie wolle noch einmal nach draußen gehen. Im Innern der Scheune war es bereits dämmrig geworden. Als sie die breite Tür öffnete, hatte sich der Himmel nur ganz tief im Westen einen violett gesäumten Lichtrest bewahrt. Sie lehnte sich gegen die Bretterwand.
    Der Besitzer des Gehöfts ist nicht der Mann, den wir suchen, dachte sie. Wahrscheinlich werde ich morgen feststellen, dass sein Halbbruder der Zeuge des Mordes ist, versuchte sie, sich zu beruhigen. Dennoch hatte sie plötzlich die Empfindung, als ob sie einem unsichtbaren Köder folgte. Einem Köder, der ganz nah vor ihr hing und der, jedes Mal wenn sie schon fast glaubte, ihn greifen zu können, wieder verschwand. So lange, bis sie sich

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