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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Schwächen nicht die Augen zu verschließen. Er hat keinen starken Charakter und ist, wenn man ihm schmeichelt, leicht zu lenken. Bestenfalls wird er eine Marionette von Enzios Gnaden sein. Wahrscheinlicher ist, dass der Kardinal ihn umbringen lassen wird.«
    Odilo hatte mit abgewandtem Gesicht zugehört. Als er Roger nun ansah, war sein Blick gequält. »Ich kann Heinrich nicht verraten.«
    »Ihr habt eine Pflicht gegenüber dem Kaiser und dem Reich zu erfüllen, und die wiegt schwerer. Wollt Ihr, dass das Reich wegen eines unreifen Königs, der aus Schwäche und gekränkter Eitelkeit gegen den Vater rebelliert, in Chaos versinkt?«
    Geistesabwesend starrte Odilo vor sich hin. Während Roger auf seine Antwort wartete, glaubte er, von dem Gesträuch her, das sich am Rand des Tales erstreckte, ein Geräusch zu hören. Doch als er den Kopf wandte, konnte er dort außer den kahlen, im Winterlicht grauen Büschen nichts erkennen. Das Land unter den tief hängenden Wolken erschien ihm trostlos und feindlich. Er hatte von Pflicht gegenüber Friedrich gesprochen und sie doch selbst gerade aufgekündigt. Ja, er hatte dem Kaiser die Treue gebrochen. Auch wenn es vielleicht nur zwei Wochen beanspruchen würde, bis Odilo in Köln gegenüber dem Kardinal ausgesagt hatte – falls er überhaupt dazu zu bewegen war –, seine, Rogers, Aufgabe war es, ihn so schnell wie möglich in den Süden zu bringen.
    Schließlich schaute Odilo auf. Sein Blick war immer noch gequält. »Ich brauche Zeit. Bis morgen … Es ist keine leichte Entscheidung, sich gegen jemanden zu stellen, zu dessen Gefolge man lange gehört hat.«
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Lasst uns morgen noch einmal hier treffen. Gegen Mittag. Ich verspreche Euch, ich werde nichts von dem, was Ihr mir gesagt habt, verraten.«
    »Ich werde hier sein …« Roger trat zurück und sah zu, wie Odilo sich in den Sattel schwang und seinen Weg fortsetzte. Noch einen Tag musste er warten. Aber Roger war überzeugt, dass er im Moment nicht mehr hätte erreichen können. Während er den Talgrund überquerte, fühlte er sich erschöpft, als hätte er eben einen heftigen Kampf ausgetragen. Als er sich dem Gesträuch unterhalb der Baumgrenze näherte, ließ ihn eine Bewegung in den Zweigen innehalten und zu dem Dolch greifen, den er unter seinem Mantel trug. Doch es war nur Donata, die auf ihn zukam.
    »Ihr solltet oben bei den Felsen auf mich warten«, sagte er schroff.
    Sie stand schmal und aufrecht vor ihm. »Ich war mir nicht sicher, ob ich Euch trauen kann. Es tut mir jetzt Leid.«
    Ihr seltsamer Blick ruhte auf ihm und er hatte wieder den Eindruck, als ob sie versuchte, sein Innerstes nach außen zu kehren. Freude und Befangenheit stiegen in ihm auf. Um sie zu verbergen, blickte er an ihr vorbei. »Wenn Ihr gelauscht habt, habt Ihr sicher auch gehört, dass Odilo sich einen Tag Bedenkzeit ausgebeten hat … Ich traue ihm. Aber es ist besser, wenn wir nicht hier bleiben. Etwa zwei Wegstunden von hier entfernt gibt es Höhlen. Dort können wir die Nacht verbringen.«

    *

    Als Odilo gegen Mittag auf sein Gehöft zuritt, wunderte er sich über die vielen Abdrücke von Pferdehufen im Schnee. Sie führten vom Süden her auf das Tor zu. War ein Nachbar mit seinen Leuten vorbeigekommen? Oder eine Jagdgesellschaft? Aber es gab bessere Zeiten zu jagen als gegen Ende des Winters, wenn das Wild ausgezehrt und mager war. Während er sein Pferd in den Hof lenkte, gingen ihm – wie eigentlich ständig, seit er Friedrichs Kundschafter begegnet war – dessen Worte durch den Kopf: Wollt Ihr, dass das Reich wegen eines unreifen Königs in Chaos versinkt?
    Der Mann hatte Recht. Odilo hatte diese Vorstellung, seit er Zeuge des Mordes gewesen war, immer wieder heimgesucht. Aber dennoch … Er und Heinrich waren zusammen aufgewachsen. Und der König vertraute ihm …
    Von den Stallungen her kam ein Knecht auf ihn zugerannt. Als er näher kam, sah Odilo, dass die Augen des älteren Mannes aufgeregt leuchteten. »Herr«, sprudelte es aus ihm heraus. »Ein hoher Gast ist angekommen. Ein Legat des Papstes, mit etwa zwei Dutzend Reitern. Ich habe im Laufe meines Lebens schon viele Pferde gesehen, aber noch nie so prächtige, wie sie mit sich führen.«
    Drei Männer mit gebräunten Gesichtern und dunklen Haaren traten aus dem Pferdestall. Unter ihren kostbaren Mänteln trugen sie Kettenhemden und Schwerter. Sie begrüßten Odilo überaus höflich. Trotzdem stieg eine jähe, furchtsame Unruhe in ihm auf.

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