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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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und wüste Linien auf den Schreibgrund ziehen würde – so wie sie es während der letzten Jahre immer getan hatte, wenn sie versucht hatte zu malen. Doch ihre Hand schrieb, zwar ein wenig zittrig, aber trotzdem unverkennbar das Wort domini.
    Auch nachdem Donata die Feder abgesetzt hatte, um sie erneut in die Tinte zu tauchen, gehorchte die Hand noch ihrem Willen. Die Bewegungen wurden flüssiger, glichen sich fast unmerklich den runden, fließenden Buchstaben der karolingischen Schrift an. Sie arbeitete in sich versunken, nahm nur von ferne das leise kratzende Geräusch wahr, das die Federn im Raum verursachten.
    Als Donata das Schlusswort schrieb, bemerkte sie, dass sich der Rothaarige und ein anderer Schreiber bereits erhoben und dem Mönch ihre Arbeit vorgelegt hatten. Sie führte den letzten Buchstaben aus und folgte dem dritten Schreiber, der eben auch fertig geworden war, in den hinteren Teil des Raumes. Während sie Berengar ihr Pergament reichte, warf sie rasch einen Blick auf die Schriften der anderen. Zweien war anzumerken, dass die Schreiber in der Karolinga nicht sehr gut bewandert waren. Denn ab und zu hatten sich die spitzen Formen der nun gebräuchlichen Schrift in die Worte geschlichen. Aber die Zeilen auf dem dritten Pergamentstück waren schön ausgeführt und dem Schreiber war es gelungen, die Vorlage ebenmäßig zu füllen.
    Der Mönch hatte sich vorgebeugt und studierte die Pergamentstücke mit unbewegter Miene. Schließlich nahm er das in die Hand, auf dem der Psalm in der vollendeten karolingischen Schrift ausgeführt war.
    »Sehr schön«, er wiegte anerkennend den Kopf. Der rothaarige Schreiber trat einen Schritt vor. Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. »Herr, ich sagte Euch doch …, ich bin in vielen Schriften bewandert.«
    »Qui est iste rex gloria? / Dominus fortis et potens: / dominus potens in praelio.« Der Mönch las den letzten Vers des Psalms leise, aber gut vernehmlich vor. »Du hast nur übersehen, dass der Schlussvers richtig lautet: Quis est iste rex gloriae? / Dominus virtutum ipse est rex gloriae. Du hast ihn mit dem dritten Psalmvers verwechselt …«
    Unsicherheit flackerte in den Augen des Schreibers auf, verschwand jedoch sofort wieder. »Verzeiht, Herr. Nun, auf Wanderschaft ist es nicht immer möglich, die Messe zu besuchen. Aber ich denke, in Eurem Kloster werden sich Bücher befinden, mit denen ich mein Wissen auffrischen kann.«
    »Gewiss«, entgegnete Berengar. Er legte das Pergamentstück auf den Tisch zurück, betrachtete es noch einmal versonnen. »Wie dem auch sei – der Junge wird als Schreiber für uns arbeiten.«
    Der Rothaarige starrte den Mönch an. Die Farbe wich aus seinem Gesicht und seine Augen verengten sich. Es dauerte nur einen Moment, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.
    »Nun, Herr, wie Ihr meint. Aber ich glaube, Ihr werdet Eure Entscheidung bereuen.«
    »Wer könnte es ausschließen, niemals eine Entscheidung zu bedauern?«, entgegnete der Mönch friedlich.
    »Kommt!« Der Rothaarige winkte den anderen beiden Schreibern zu. Als er an Donata vorbeiging, ließ er ein Messer in seiner Hand aufblitzen, so rasch, dass es der Mönch nicht sehen konnte.
    »Nun, Junge«, ließ sich Berengar vernehmen. »Der Tag ist schon recht weit vorangeschritten. Du beginnst morgen bei Tagesanbruch mit deiner Arbeit. Lass dir in der Küche etwas zu essen geben. Und …« Der Mönch sah zur Tür, durch die die Schreiber eben das Skriptorium verlassen hatten. »Ich schätze, es ist besser, wenn du die Nacht nicht in der Gaststube verbringst. Lass dich von einem der Küchenjungen zu einer Scheune führen.«

    *

    Donata lauschte auf die Schritte des schlaksigen Küchenjungen, der sie zu der Scheune am Rand des Klostergeländes geführt hatte. Hart klangen sie von unten, wo auf dem gestampften, gefrorenen Lehmboden Karren, Feldgerätschaften und Saatgut aufbewahrt wurden, zum Heuboden herauf. Als sie hörte, wie die Scheunentür zuschlug, entspannte sie sich ein wenig. Auf dem Weg von der Küche, wo sie noch eine Schale mit Suppe erhalten hatte, bis hin zur Scheune war ihnen niemand gefolgt. Dessen war sie sich gewiss.
    Sie hockte sich in das Heu, das einen schwachen Geruch von Sommer bewahrt hatte, und zog es um sich. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich satt und warm. Eine vorsichtige Zuversicht erfüllte sie. Ein paar Tage würde sie an diesem Ort verbringen, ehe sie weiterzog. Es war Anfang Januar. Zwei, drei Monate lang würde der Winter das Land

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