Die Buchmalerin
brennendem Lampenöl und ein Rascheln wie das eines schweren Stoffes. Dann die Stimme des Kardinals, weich und ein wenig schleppend. »Setzt sie hier nieder!« Luitgard wurde auf einen Schemel gedrückt und wäre dennoch zur Seite weggesunken, wenn nicht jemand sie grob gepackt hätte. Sie stöhnte. Jemand presste ihr ein Gefäß an den Mund. Sie schmeckte Wein, dem etwas Süßliches beigemischt schien, und schluckte dankbar und gierig. Die Schmerzen ließen ein wenig nach.
»Sieh mich an!« Eine Hand fasste nach ihrem Kinn und riss es hoch. Als sie die Lider aufschlug, erblickte sie Enzio, der ihr in einem niedrigen Raum gegenüberstand. Von der gekalkten, gewölbten Decke hing eine Öllampe herab. Einmal war sie schon hier gewesen. Damals, an dem Tag, als der Pöbel gegen das Haus in der Stolkgasse gezogen war. Und später? Sie wusste es nicht mehr.
»In wenigen Tagen wird über dich und den Begarden Alkuin Gericht gehalten. Sag mir, welchen Verbrechens ihr euch schuldig gemacht habt!«
»Ich … ich habe Alkuin geholfen, Gisbert, den Inquisitor, zu töten …«
»Nun, du hast dies noch genauer angegeben …« Enzio griff nach einem Pergamentbogen, der auf einem grob gezimmerten Holztisch lag. »Ich, Luitgard, verwitwete Gattin des Kaufmanns Hans Ursin und Tochter des verstorbenen Kaufmanns Anton Herkenrath, gestehe, gemeinsam mit der Begine Bilhildis – für die ich als Vorsteherin des Hauses in der Stolkgasse verantwortlich war – die Kräfte des Bösen auf ein Messer herabgerufen zu haben. Dieses Messer übergaben wir Alkuin, dem Begarden, der damit Gisbert, den Dominikanermönch und Inquisitor, tötete. Denn wir fürchteten uns davor, dass Gisbert, sobald er in die Stadt käme und seines Amtes waltete, unseres gottlosen Treibens gegenwärtig würde. Als da sind: Abkehr von den Lehren der Kirche und Ketzerei sowie Zauberei und der Pakt mit dem Bösen …«
Wann hatte sie all dies zugegeben? Sie konnte sich nicht mehr erinnern.
»Bilhildis ist tot. Sie hat ihre Strafe bereits erhalten, denn gottesfürchtige Menschen haben sie gesteinigt. Und auch Alkuin und dich wird die Strafe Gottes und der Kirche treffen. Dies ist unabwendbar.«
Enzio blickte sie aus seinen steingrauen Augen nachdenklich an. »Aber wenn du bereit bist, deine Schuld wirklich auf dich zu nehmen und während des Prozesses nicht zu widerrufen, werde ich dafür sorgen, dass den anderen Frauen aus deinem Haus das Schlimmste erspart bleibt. Du weißt, welchen Tod ich damit meine?«
»Den im Feuer …«, flüsterte Luitgard.
»So ist es«, er nickte und spielte mit einem Ring an seiner Hand. »Den Tod auf dem Scheiterhaufen. Ich werde mich sogar dafür einsetzen, dass die anderen Frauen mit dem Leben davonkommen. Und was deinen und Alkuins Feuertod betrifft … Nun, es gibt Mittel, durch die dieses Ende weniger qualvoll wird. Ein Trank zuvor. Und Holz, das schnell und hoch brennt und viel Rauch entwickelt … Auch dafür könnte ich gegebenenfalls sorgen.«
Er schwieg, während er sie weiterhin nicht aus den Augen ließ. »Das Leben der Frauen, für die du als Vorsteherin verantwortlich bist, und für dich und Alkuin ein leichterer Tod. Wenn du bereit bist, deine Schuld ohne Einschränkungen auf dich zu nehmen, und beim Prozess keine Ausflüchte machst.«
Was auch immer Alkuin und sie getan haben mochten – Bilhildis hätte niemals dazu beigetragen, einem anderen Menschen ein Leid zuzufügen, ging es Luitgard durch den Kopf. Aber Bilhildis war ohnehin nicht mehr am Leben. Die Schmerzen, die, von der Hüfte aus, durch ihren Körper strömten, wurden wieder stärker. Luitgard sehnte sich danach, auf dem Stroh liegen und ihre Glieder ausstrecken zu können. Der Kellerraum und Enzios herbes Gesicht verschwammen vor ihren Augen.
»Sieh mich an!«
Schwerfällig hob sie den Kopf, der ihr auf die Brust gesunken war.
»Nun, wie steht es? Das Leben für die Frauen aus deinem Haus und ein weniger qualvoller Tod für dich und den Begarden …?«
»Ja, Herr, ich verspreche, dass ich nichts widerrufen werde«, flüsterte sie.
Als die Soldaten sie auf die Beine zogen, wurde ihr wieder schwarz vor Augen. Kältere Luft streifte ihr Gesicht und sie hörte einen Menschen stöhnen. Die Soldaten hielten sie weiterhin fest gepackt, blieben jedoch stehen. Schritte kamen näher. Sie schaute auf. Andere Soldaten, die einen Mann vorwärts zerrten, drängten sich in dem schmalen Kellergang an ihnen vorbei.
Die Gestalt des Mannes war verkrümmt. Er wandte ihr
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