Die Bucht des grünen Mondes
über der Flamme. Das wie geschliffener Lapislazuli glänzende Tierchen sprang hin und her und sonderte in seiner Not ein giftiges Sekret ab. Nacheinander schob Ruben die Pfeilspitzen durch das Geflecht und rieb sie an der Haut. Dann packte er alles wieder sorgfältig zusammen und hängte den Käfig an seinen Platz, wo der arme Frosch schon wer weiß wie lange ausharrte.
Seine Hände waren ruhig geworden. «Morgen wird gejagt. Die Männer müssen sich vor den Mädchen beweisen. Alle machen mit.»
«Und du wirst wieder beweisen wollen, dass du mehr von einem Yayasacu hast als die Yayasacu selbst», erwiderte sie kalt. «Wie beim Tanz.»
«Ich bin der beste Jäger.»
«Ja. Natürlich. Was auch sonst.»
Auf den Knien kam er näher. Amely zog die Beine an, bereit, ihn zu treten.
«Kannst du belegen, was du ständig sagst, Amely?»
Sie schluckte. «Ich wüsste nicht, wie.» Vielleicht doch. Ganz falsch hatte sie es bisher angegangen; immer nur hatte sie ihm hingeworfen, was sie wusste. Doch nie gefragt, was
er
zu wissen glaubte. «Weshalb, denkst du, beherrschst du meine Sprache?»
«Die Geister haben sie mich gelehrt. Sie zeigen mir auch Bilder. Traumbilder.»
«Könnten es nicht auch … Erinnerungen sein?»
Sein Trotz flackerte wieder auf. «Du kannst nur behaupten. Und im Reden bist du gut. Nichts kannst du beweisen!»
«Bitte denk darüber nach.»
Aufstöhnend hockte er sich an ihre Seite und warf den Kopf zurück.
«Du bist blond», hakte sie nach. «Du musst dich rasieren, während sich die anderen Männer mit einer Pinzette begnügen. Warum ist das so?»
«Vom Chullachaqui heißt es, er schere täglich seinen Bart.»
«Ruben, denkst du, dass ich dich anlüge? Warum sollte ich?»
«Weil du nicht richtig im Kopf bist?»
«Deine Anhänger – ich habe sie schon gesehen. Auf einer Photographie. Da warst du ein kleines Kind.»
«Photographie», echote er verständnislos.
«Bilder eines Augenblicks, die man festhalten kann für immer. Irgendwann … irgendwann zeige ich dir so etwas. Wie auch immer, auf einem solchen Bild trugst du ein Armkettchen mit genau diesen Anhängern. Es sind kleine Kunstwerke aus deiner Welt, nicht aus der der Yayasacu. Findest du denn, sie haben irgendeine Ähnlichkeit mit Handwerkskunst von hier?»
«Du überschüttest mich mit Wörtern, die mir nichts sagen», murrte er.
«Lenk nicht ab.» Oho, wie streng konnte sie doch sein! Fast war sie stolz auf sich. «Sie sind aus Gold – wo gibt es hier Gold?»
«Der Kazike besitzt Gold, das hast du doch gesehen.»
Sie seufzte. Er wehrte sich wie ein Fisch in den Händen des Anglers. «Was denkst du denn, stellen sie dar?»
«Gute Zeichen», er zog die Lederschnur über den Kopf und bettete die goldenen Schmuckstücke auf seiner Handinnenfläche. «Hier, das Stirnkreuz der Götterschlange. Sie ist fast so mächtig wie die Anakonda. Tupan selbst hat ihr das Zeichen auf die Haut gemalt. Dies ist das Blatt der Siyuoca, der Pflanze, die die Stille bringt. Und dies der Fisch an der Harpune; es ruft den Gott Anhangá, dass er Jagdglück bringt. Aber du glaubst das alles nicht, nicht wahr?»
«Nun», sagte sie langsam. «Es sind wirklich Amulette. In
unserer
Welt bekommen sie viele Kinder als Glücksbringer geschenkt. Deshalb hast du sie getragen, als du hierherkamst. Es sind ein Kreuz, ein Herz und ein Anker:
Glaube, Liebe, Hoffnung
.»
«Amely. Amely!» Sie schreckte hoch. Beinahe wäre ihre Stirn gegen Rubens Kinn geprallt. Es kostete lange Sekunden, sich zu orientieren. Ihre Schultern schmerzten; die Hände waren längst taub. Er hatte sie nicht losgebunden, bevor er in seiner Hängematte verschwunden war. Das Lämpchen brannte noch; die Glut im Erdfeuer war nicht erloschen. Ruben kniete über ihr. Seine Strähnen klebten ihm im schweißfeuchten Gesicht.
«Um Gottes willen, Ruben, was hast du?»
Er fasste sich an die Ohren, kniff die Augen zusammen. «Der Lärmgeist ist so laut wie nie.»
Es stank in der Hütte. Irgendetwas hatte er auf dem Feuer gebraut. Ein Topf lag umgekippt in einer dunklen Lache mitsamt einer riesigen Vogelspinne. Amely stieß einen unterdrückten Schrei aus.
Ruben sackte auf den Rücken, grub die Finger in sein Haar. «Amely …»
«So binde mich doch erst einmal los!»
«Bewache meinen Schlaf, Amely. Die Siyuoca macht mich schwach; alles könnte sich anschleichen. Tust du das?»
Und schon atmete er schwer und gleichmäßig. Sie bezweifelte, dass sie ihn würde wecken können, wenn
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