Die Bucht des grünen Mondes
Platzes und begannen zu tanzen. Frauen trugen Körbe herbei; die Männer griffen mit beiden Händen hinein. Staunend sah Amely, dass sie sich Schlangen jeglicher Größe um die Schultern legten.
Die Tiere verhielten sich friedlich. War der Tanz zunächst nur ein wildes Gestampfe ohne jede Ordnung, bewegten sich die Männer zusehends im Gleichklang. Amely spürte, wie ein Ruck durch Ruben ging. Dann war auch er auf den Beinen.
Er griff in einen dargereichten Topf und trug rasch rote Paste auf seine Narben auf. Wie er sich über die Quernarben an seinem Hals fuhr, sah es aus, als töte er sich selbst. Zuckend umkreiste er die Körbe. Als er eine ockerfarbene Schlange mit schwarzem Rautenmuster herausholte, schnappten die Zuschauer erschrocken nach Luft.
Amely war aufgesprungen. Von Herrn Oliveira wusste sie genug, um eine Surucucu zu erkennen. Ruben behandelte die Schlange, als wüsste er nichts von ihrer Giftigkeit. Er schlang sie sich um den Oberarm. Dann holte er eine zweite aus dem Korb und ließ sie sich um den anderen Arm winden. Seine Augen funkelten hochmütig – Amely fragte sich, ob es die Schlangen waren oder dieser Blick, der die anderen Tänzer dazu brachte, Abstand zu ihm zu halten. Ja, er war ein Außenseiter, aber er legte es auch darauf an. Seine federgeschmückten Haare flogen, seine Muskeln zuckten. Im Schein der Flammen glänzte sein Leib wie in flüssiges Feuer getaucht.
Er war einer von vielen Tänzern. Er machte die gleichen Schritte; seine Kopfschwünge waren die gleichen, ebenso die Art, wie seine Glieder zuckten und wirbelten. Doch er überragte sie an Körpergröße, und sein Tanz schien ein anderer zu sein. So voll von Kraft und Leidenschaft, dass sie aus ihm hervorbrach, sich in Amelys Körper fortsetzte, der vibrierte und glühte, als tanze sie selbst um ein Feuer. Seine Federn kamen ihr prächtiger vor, die Farben auf seinem Leib leuchtender, das Funkeln in seinen Augen stolzer und gieriger. Mit abgehackten Bewegungen ließ er die Schlangenleiber wippen und zucken, lockte sie, zuzubeißen. Die wilde Schönheit seiner Darbietung kam Amely in diesem Augenblick entsetzlich vor.
Aymáho, der den Tod ersehnt
. Er entblößte die hellen Zähne zu einem fast bösartigen Lächeln.
Aymáho, der den Chullachaqui besiegt
. Seine Füße stampften, und die Surucucus antworteten mit drohendem Vibrieren ihrer Schwanzspitzen.
Aymáho, der Schlangengott, der sein eigenes Blut als Opfer verlangt
. Die Schläge der Trommelhölzer beschleunigten Amelys Herzschlag. Sie dröhnten, als schlügen sie in ihrem Innern auf sämtliche Organe. Lauter, lauter! Zuckte ihr Körper wirklich so beschämend? Aber niemand sah es ja; alle starrten auf den Falken, der mit den Schlangen in seinen Krallen kämpfte. Längst waren die anderen Tänzer in den Hintergrund getreten. Im Vergleich zu ihm wirkten sie inzwischen ermattet, obwohl sie ihr Bestes gaben. Jäh endete die Musik. Alle stürzten auf die Knie, die Arme hochgerissen, die Köpfe zurückgeworfen. In Strömen floss der Schweiß an ihnen herab.
Seine Brust hob und senkte sich schwer. Amely wartete, dass man jubelte und applaudierte und vielleicht wie die Damen in der Oper seinen Halsschmuck schüttelte. Nichts dergleichen. Die Tänzer zogen sich in die Reihen der Zuschauer zurück, wo man ihnen Kalebassen reichte und half, die Schlangen loszuwerden. Prustend gossen sie sich reichlich Wasser über die Köpfe.
«Denk nicht, ich wüsste nicht, was das war!», rief Amely zornig, kaum dass Ruben wieder neben ihr saß und seinen Durst gelöscht hatte. «Du warst ja wie von Sinnen.»
Und ich auch
. Er schien zu dampfen. Sie dachte, sein Schweißgeruch müsse sie ekeln. Aber so war es nicht.
Er hob nur die Schultern. «Die Surucucus waren jung und klein. So groß war die Gefahr nicht.»
O nein. Nur dass eine solche Schlange deinen Bruder getötet hat!
Die Männer hoben zwei kleine Erdlöcher aus und verbanden sie mit einer Grube. Holz wurde in die Löcher geworfen und entzündet. Begleitet von rhythmischem Klatschen, näherten sich die beiden Feuer einander, und als sie sich verbanden, johlten und jubelten alle. Die Mädchen sprangen mit hochgereckten Armen umher. «Nun sind sie Frauen», erklärte Ruben.
Während das Fleisch von Affen, Krokodilen und einem riesigen Tapir über den Flammen garte, Schalen mit Erdnüssen, Mais, Maniokküchlein und Kokosmilch herumgereicht wurden, bemalten einige ältere Frauen die Mädchen mit gelber Farbe. Sie traten vor den
Weitere Kostenlose Bücher