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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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erfährt. Wozu soll das denn führen? Wenn ich vor ihn trete – würde alles nicht noch schlimmer werden, wenn ich dann wieder gehe? Nein!» Plötzlich war er wieder bei ihr, packte ihre Schulter, dass sie aufstöhnte. «Er
darf
nicht erfahren, dass ich lebe und wo ich lebe! Seine Gier nach Kautschuk bedroht meine Welt! Keinesfalls gehe ich das Risiko ein, ihn auf die Spur der Yayasacu zu bringen.»
    «Aber du warst doch schon fast in deinem Elternhaus. Glaubst du, dass das Zufall war?»
    «Ich wusste nicht, wohin ich ging.»
    «Nein. Aber
dass
du gingst – das liegt in dir begründet. Ich meine nicht, dass du deine Herkunft gespürt hast.» Oh, es war alles so schwer in Worte zu fassen. «Aber dein Vater hat seinen Teil dazu beigetragen, dass du bist, was du bist. Denkst du denn, ein anderer deines Stammes hätte das gewagt?»
    Schwer atmete er aus. «Vielleicht nicht», sagte er schließlich. Es klang nicht überzeugend und passte auch nicht zu seinem sonstigen Gehabe, der Erste und Beste zu sein. «Und du? Warum standest du am Igarapé mit einer Waffe?»
    «Es ging mir wie dir damals», sagte sie leise. «Ich wollte fortlaufen.»
    Die Last brach sich Bahn. Amely ließ den Kopf sinken; ihr Körper zuckte. Sie wünschte sich, mit irgendetwas ihr Gesicht bedecken zu können. Gefesselt, wie sie war, musste sie die Tränen laufen lassen. Es war beschämend und tat doch gut. Ruben umschlang sie, strich über ihr Haar, ihre nassen Wangen. Mit einer Hand hielt er sie, mit der anderen zog er sein Messer und schnitt ihre Fesseln durch.
    «Jetzt wirst du nicht mehr weglaufen», sagte er.
    Amely rieb sich durch das erhitzte Gesicht. «Nein», sie lachte auf. «Es ist Morgen. Ich glaube, ich hätte jetzt gerne einen starken cafézinho.»

4. Kapitel
    Neunzehn junge Männer versammelten sich auf dem Dorfplatz, umringt von Frauen, Kindern und Alten. Alle blickten erwartungsvoll zum Häuptlingsbaum, warteten, dass Rendapu herabstiege. Er kam mit einem bauchigen Gefäß, das er im Kreis der Männer abstellte. Neugierig reckte Amely den Hals. O nein, wieder ein Schlangenritual? Doch es war eine Liane, die er herausholte und entrollte. Jedem schnitt er ein Stück ab. Die Männer bogen die Köpfe zurück und träufelten sich den heraustretenden Saft in die Augen.
    «Es klärt den Blick und reizt die Sinne», erklärte Ruben, nachdem sich die Männer zerstreut hatten. Wie alle hatte er sich mit roter Farbe und rotem Federkopfputz geschmückt. Sogar seine Ohrnadeln und Handflächen glänzten rot. Die Farbe verschmierte den Bogen, den er in der Hand hielt. «Neben einer guten Jagdwaffe hilft nur die nie erlahmende Aufmerksamkeit. Man muss sehen, hören, riechen und fühlen zugleich. Gut, das Hören fällt mir nicht leicht. Aber heute wird es ja auch nicht so schwer, wir wollen an den Fluss. Krokodile können einen nicht so schnell überraschen wie der im Dickicht lauernde Jaguar.»
    «Waidmannsheil», murmelte sie betreten. Krokodile!
    Er legte den Kopf schräg, schien zu forschen, ob er das Wort kannte. Dann strich er ihr lächelnd über die Wange und gesellte sich zu den am Dorfausgang versammelten Männern. Es war ein erstaunlich unspektakulärer Aufbruch. Wahrscheinlich würde das spätere Fest dies mehr als wettmachen.
    Amely mochte nicht in die Hütte zurückkehren, zumal man drinnen auch nicht vor Mücken geschützt war, denn Moskitonetze gab es hier nicht. So machte sie es wie alle, sie hockte sich mit ihrem Webrahmen nach draußen. Das Geschnatter war noch aufgeregter als sonst. Die Frauen vertrieben sich die Wartezeit, indem sie eine aufwendige Mahlzeit vorbereiteten. Erdnüsse und Kastanien wurden geröstet, Maniokkuchen gebacken, Bohnen gemahlen. Die Queixadas in ihrem Gatter blieben heute verschont. Amely entsann sich des Geschmacks von Alligatorschwanz an Bord der
Amalie
. Ob die erlegten Krokodile ähnlich wohlschmeckend sein würden? Es war schade, sich nicht mit den Frauen verständigen zu können. Manchmal kam eine, sagte ein freundliches Wort, steckte ihr einen vermeintlichen Leckerbissen zu und verschwand wieder mit verschämt gesenktem Kopf, während die anderen missbilligend die Köpfe schüttelten. Auch Kinder kamen, schnupperten und leckten an ihr, bis sie fortgerufen wurden. Nun ja, sie, Amely, war eine
Andere
, da konnte sie nicht erwarten, freudig umringt zu werden. Verstohlen schob sie die gerösteten Käfer und Schälchen voller dicker, sich windender Raupen hinter sich.
    Die Hauptpersonen des Tages, die

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