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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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hatte gehofft, dass die Frauen ihr wenigstens für die Feier etwas zum Anziehen liehen. Aber keine brachte etwas, und als sie Ruben fragte, schüttelte er verständnislos den Kopf. Nun, wenn man so gut wie nichts am Leib trug, ahnte man wahrscheinlich nicht, welch überwältigendes Problem die Kleiderfrage darstellen konnte. Wenigstens fand sie unter seinen Habseligkeiten ein paar Nadeln aus Gräten. Sie stellte ihre Matte als Sichtschutz auf, zog sich aus und begann das Nachthemd so gut es eben ging zu flicken.
    Er kam herein, stutzte. «Amely?» Ehe sie ihn bitten konnte, stehenzubleiben, war er heran und hatte die Matte beiseitegezerrt. Sie machte sich zu einer Kugel. Mit den Haaren und dem Stoff versuchte sie das Nötigste zu bedecken. Was für eine peinliche Situation! Sie schüttelte den Kopf, als er sie greifen wollte.
    «Du versteckst dich? Ist ein Tier in der Hütte?»
    «Nein!», fauchte sie.
    «Und weshalb …»
    «Siehst du das nicht, du Sturkopf?»
    Er sah viel zu viel; seine Augen flackerten eigenartig. Sie hatte das Gefühl, ihr Leib müsse kochen unter diesen Blicken. Schließlich stützte er die Hände auf die Knie und grinste sie an. «Amely. Du tust klug und bist dumm. Wenn man etwas in der Hand verbirgt, denkt jeder, es ist Honig.»
    Dann war er so rasch draußen, wie er hereingeplatzt war. Wie hatte er das nur gemeint?
     
    Die Mädchen versammelten sich auf den Ruf der Häuptlingsfrau hin unter einem Segeltuch mitten auf dem Dorfplatz. Es waren jene fünf, die Ruben aus dem Quellbad verscheucht hatte. Heute sollten sie zu erwachsenen Frauen ernannt werden. Dabei wirkten ihre schlaksigen Körper mit den kleinen, spitzen Brüsten noch nicht fraulich. Sie trugen Blütenschmuck und gefärbte Röckchen, an denen Tonperlen klimperten. Wie sie aufgeregt miteinander schnatterten und die Glieder nicht stillhalten konnten, unterschieden sie sich gar nicht so sehr von Berliner Backfischen vor dem ersten Tanz.
    Das ganze Dorf hatte sich fein gemacht. Amely trug eine aus Hibiskusblüten geflochtene Kette, die ihr schreckliches Nachthemd hoffentlich ein wenig aufhübschte. Ihrer Bitte, ihr eine seiner Vogelfederketten zu borgen, hatte Ruben nicht entsprochen. Nun sah sie auch, weshalb: Nur die Männer trugen Federn. Die Frauen hingegen schmückten sich mit Blumen. Alle hatten sich die Haare frisch gefärbt und auf ihre Tätowierungen Farbtupfer aufgebracht. Niemals hätte Amely erwartet, dass die Indios so eitel waren. Sie alle in den Schatten stellte jedoch der Häuptling, als er würdevoll zu den Mädchen schritt. Seine Federkrone war eine riesige Pracht in Rot, Weiß und Schwarz. Von seinem Hals hing ein Pektoral, das wie ein Götzengesicht gearbeitet war. Ungeschliffene Smaragde und Quarzsteine waren in die Goldplatte eingearbeitet. Das konnten unmöglich diese Leute hergestellt haben; sicherlich war es eine Art Stammeserbstück, vielleicht sogar von den Inkas. Von seinem Ledergürtel baumelten die Häute erbeuteter Reptilien. Und solche langhaarigen Köpfe, wie sie auch in Rubens Hütte hingen. Plötzlich dämmerte ihr, worum es sich handelte. «Sind das etwa Schrumpfköpfe?», fragte sie Ruben, der neben ihr saß.
    «Rendapu war ein großer Krieger.»
    «Oh.» Es graute sie. Wie auch immer – beim Anblick des Häuptlings der Yayasacu wäre sogar Frau Ferreira blass vor Neid geworden.
    «Dies ist Yami, Rendapus Weib.»
    Es war die überaus feiste Frau, die nun zu den Mädchen trat. Obszön schwangen ihre mit Zickzacklinien bemalten Brüste hin und her, wie wassergefüllte Lederbälge. Amely wusste nicht, ob sie pikiert den Blick senken oder fasziniert starren sollte.
    Yami schnürte einen Beutel auf. Das Kichern der Mädchen verebbte. Sie weinten gar. Was nun geschah, entzog sich Amelys Blicken, denn die Mädchen wurden von den Frauen umringt; sie sah sie nacheinander aus dem Pulk wanken, weinend, die Arme um den Leib geschlungen. Mit nassen Tüchern wurden sie gewaschen und wieder vor Yami geführt. Die stach ihnen nun beinerne Nadeln durch die Ohrmuscheln. Es flossen noch ein paar Tränen. Ungerührt wischte die Häuptlingsfrau blutige Ohren sauber.
    Mittlerweile war es dunkel geworden. Fackeln wurden in den Boden gesteckt. Männer brachten Trommeln, Flöten und mannshohe Bambusrohre. Ihre Musik war ein lärmendes, rhythmisches Getöse, das alle ansteckte, mit dem Körper zu schwingen und in die Hände zu klatschen. Nacheinander traten mit leuchtend roter Farbe bemalte Männer in die Mitte des

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