Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
Vom Netzwerk:
hineingetreten. Ku’asa, Pytumby und andere Männer schlossen sich ihm an. Amely setzte sich auf.
    Die Männer versammelten sich auf einer Lichtung. Feuer flammte in ihrer Mitte auf. Gleich würden sie tanzen, singen, trommeln – irgendein Geisterritual beginnen. Doch sie hockten sich um das Feuer und sprachen leise miteinander. Zu verstehen war nichts. Auch andere Frauen waren erwacht. Keine wagte es, sich dem Kreis der Männer zu nähern. Amely schob sich auf die Knie und kroch durch die Düsternis.
Ich bin ja wie ein Kind, sie werden mich schon nicht in der Luft zerreißen
.
    Sie musste langsam sein. Die Männer blickten sich bei jedem Knacken und Knistern um. Oa’pojas Gesicht glänzte als einziges in frischem Rot, als er den Kopf drehte. Für einen Moment glaubte Amely, er sehe ihr in die Augen. Doch dann wandte er sich den vierzig, fünfzig Jägern zu.
    «Wir sind schon oft an einen anderen Platz gezogen. Nach Unwettern, nach schlechten Ernten oder weil Tiere und andere Stämme uns bedrohten. Ich begab mich in die Geistwelt der Vergangenheit und erinnerte mich an Geschichten meines Großvaters, in denen unser Stamm an einem Ort lebte, der fruchtbarere Erde als unsere besaß. Die schwarze Erde unserer Ahnen. Sie zogen aus dem gleichen Grund fort: Ein gewaltiges Unwetter zwang sie dazu. Vielleicht ist es an der Zeit, dorthin zurückzukehren.»
    «Und wenn die schwarze Erde dort nicht mehr ist?», fragte Myenpu, der Maskenschnitzer. Ihm fiel die Reise schwer, da ihm Piranhas den halben Fuß abgebissen hatten, als er als kleiner Junge unvorsichtig gewesen war. «Lasst uns einen guten Platz in der Nähe suchen.»
    «Den zu finden, dauert vielleicht ebenso lange. Aber dort wissen wir, was uns erwartet.»
    «Erzähl uns von dem Wald», forderte ein anderer.
    «Der Oue liegt jenseits des Weißen Flusses. Er war voller Wild, und die Maden in den Bäumen waren unglaublich fett. Der Kauchu-Saft quoll aus den Bäumen. Unser Stamm war fruchtbar wie nie.»
    «Und du bist sicher, dass dir der Geist deines Großvaters nichts vorgaukelt?», warf Pytumby ein. Die Männer lachten, auch der Schamane.
    «Die Reise ist anstrengend», versuchte es Myenpu noch einmal. «Und wie sollen wir über den Fluss kommen? So viele Einbäume haben wir nicht.»
    «Wir harren eben so lange am Ufer aus, bis wir genügend gefertigt haben.»
    «Das schaffen wir nicht vor Beginn der nächsten Regenzeit.»
    «Wir werden schnell sein.»
    Ruben wandte sich an den Schamanen: «Wie viele Tage wird es dauern, bis wir dort sind?»
    Lange wiegte Oa’poja den Kopf. «Vielleicht dreißig. Vielleicht vierzig.»
    Einige runzelten angestrengt die Stirn. Zukunft und Zahlen, das waren keine vertrauten Dinge.
    Oue
 – wo hatte sie das schon einmal gehört? Amely grübelte; die Antwort lag dicht vor ihren Augen wie ein Gespinst.
    Fast hätte sie aufgeschrien, als sich eine Hand um ihre Kehle legte. Sie warf sich auf den Knien herum und blickte in die funkelnden Augen der Jägerin.
    «Was fällt dir ein, zu lauschen?», zischte Tiacca. «Du vertreibst die Geister!»
    «Lass mich.»
    «Nein, du kommst mit ins Lager zurück! Wenn …» Tiaccas Augen weiteten sich; sie ruckte hoch. Schwere Schritte stapften durch Farne und Gräser. Sie ließ Amely los und machte einen geschmeidigen Satz zurück. Amely fühlte sich grob am Arm gepackt und auf die Füße gezogen.
    Pytumby grinste sie an. «Du natürlich. Dass Aymáho dich noch nicht an den Füßen aufgehängt hat, finde ich erstaunlich. Ich jedenfalls täte es spätestens jetzt.» Über die Schulter rief er, dass es das ganze Lager wecken musste: «Es ist die Frau mit dem Gold im Mund!»
    «Bring sie her», war Oa’pojas Antwort.
    Amely stolperte hinter Pytumby her. Ruben schüttelte den gesenkten Kopf, was ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb; doch als er sie ansah, sprach auch Stolz aus seiner Haltung. Wie ein Beutestück führte Pytumby sie vor: ihren Arm hocherhoben, so dass sie auf den Zehenspitzen stehen musste, obwohl er, wie alle Ava, nicht größer als sie war.
    «Kuñaqaray sai’ya!» Der Schamane neigte sich vor und sah zu ihr auf. «Was hast du uns zu sagen?»
    Nichts, ich war nur neugierig
, wollte Amely erwidern. Da fiel es ihr ein: Kilian hatte den Oue-Wald erwähnt, jenen nördlichen Wald, der den verbrannten Kyhyje-Wald ersetzen sollte. Oder war es Felipe da Silva gewesen? Wie eigenartig dieser Name in ihren Gedanken hallte. So fremd. Hastig schob sie die Erinnerung beiseite. «Die Ambue’y

Weitere Kostenlose Bücher