Die Bucht des grünen Mondes
Petroleum –, beleuchtete Kisten voller Kalebassen und Tonflaschen und zwei Eisenwaffen. Gewehre. Hatte er nicht mit einem solchen damals auf die Queixadas geschossen? Er überlegte, ob er eines an sich nehmen sollte, verwarf es aber, da sie ihm schwieriger zu handhaben schienen als der Revolver. Der Schlüssel war nirgends zu sehen. Also zog er die Decke zurück, die sich der
Andere
trotz der Wärme übergeworfen hatte, und dort war der Schlüssel, baumelte am Hosenbund. Mit einem raschen Schnitt hatte er ihn an sich genommen und eilte zur Zeltwand.
Draußen gellte ein Schrei.
Der Ambue’y fuhr von seiner Pritsche hoch. Augenblicklich war Ruben über ihm. Eine schnelle Handbewegung – quer über den Hals des Mannes zog sich ein Schnitt. In hohem Bogen sprudelte das Blut aus der Kehle. Der
Andere
sackte zurück und starb zappelnd.
Ruben hielt sich nicht damit auf, denselben umständlichen Weg zu nehmen, den er gekommen war. Mit zwei raschen Schnitten hatte er sich eine Öffnung geschaffen. Noch im Hinaussteigen nahm er den Bogen vom Rücken und legte einen Pfeil an. Einige der Ava standen aufrecht und zerrten an ihren Eisenfesseln; das Gerassel war beinahe so laut wie das Geschrei, das sie von sich gaben. Es klang, als seien sie über ihr Elend verrückt geworden. Der eine, den Ruben geweckt hatte, schlug um sich. Es war nicht zu erkennen, ob er selbst dem Wahnsinn nahe war oder die anderen ruhigzustellen versuchte. Hinter ihm tauchte Tiacca wie ein schwarzer Geist auf. Ihr Pfeil durchschlug seinen Kopf.
Drei Männer kamen herangetrabt, die Gewehre erhoben. Sie liefen dicht an Ruben vorbei, ohne ihn zu bemerken – die Ambue’y vermochten ihre Sinne nur auf eine Sache zu konzentrieren. Hinter ihnen schlug Ruben einen Bogen und hielt auf das Gefangenenlager zu. Noch waren seine Stammesbrüder nicht entdeckt, noch war nichts verloren. Er besaß den Schlüssel. Sie mussten sich nur zurückziehen und warten, bis sich alles wieder beruhigt hatte.
Tiacca! Nein!
Sie hatte einen weiteren Pfeil angelegt. Und zielte auf die
Anderen
.
Unheilvoll zischte der Pfeil durch die Luft. Ein dumpfes Geräusch, als schlüge eine Axtklinge in einen Ast – der Mann hielt abrupt im Laufen inne. Er griff nach dem Schaft, der ihm aus dem Hals ragte, und stürzte hintenüber. Ruben spannte den Bogen. Sein Pfeil steckte nur einen Augenblick später im Hals des zweiten Mannes. Doch für den dritten reichte die Zeit nicht. Dieser hatte auf dem Absatz kehrtgemacht, brüllte und feuerte in die Luft.
«Zurück in den Wald!», schrie Ruben.
Er war bei Tiacca, stieß sie gegen die Schulter, damit sie gehorchte. Fauchend fuhr sie herum. Ihre Zähne blitzten in der Düsternis wie die Fänge eines angriffslustigen Raubtiers. «Wir kämpfen!», rief sie kehlig. «Wir töten sie alle!»
Es war keine Zeit, sich um sie zu kümmern. Er lief zu einem Ava, der nicht wie die anderen auf den Füßen stand und an seinen Fesseln zerrte, sondern ruhig an den Stamm gelehnt hockte und nicht um sich trat, als Ruben nach dem Schloss tastete. Wenigstens einigen wollte er zurück zur Freiheit verhelfen. «Flieh oder hilf uns», forderte er den Mann auf, während er die Ketten des nächsten ergriff. Hinter ihm ein Schuss. Auf den Fersen fuhr er herum und sah Pytumby, wie er den Bogen fallen ließ und sich den Arm hielt.
Ruben sprang hoch, legte einen Pfeil an, wollte den Ambue’y erschießen, der erneut seine Flinte auf Pytumby richtete. Als er den Bogen spannte, sandte die alte Wunde in seiner Hüfte einen stechenden Schmerz. Sein Schuss war schwach und zittrig. Sein Pfeil konnte nicht verhindern, dass der Mann ein zweites Mal schoss. Pytumbys kräftiger Leib erbebte. Die nächste Kugel zischte über Rubens Kopf hinweg. Dann war der Angreifer am Boden, gespickt mit Blasrohrpfeilen.
Es blieb keine Zeit, Pytumby beim Sterben beizustehen. Plötzlich waren alle Ambue’y auf den Beinen; sie rannten und schossen wie blind. Um Ruben brüllten und stöhnten die Sterbenden. Ku’asa stürmte an ihm vorbei, mit erhobener Jagdaxt. Auch er starb im Kugelhagel. Eine Patrone schlug in Rubens Schulter. Hände griffen nach ihm und rissen ihn zu Boden; andere schlugen auf ihn ein; wieder andere entwanden ihm die Schlüssel. Ein Teil in ihm blieb ruhig und redete ihm zu, flach auf dem Boden zu bleiben, wenn er leben wollte. Ein anderer Teil drängte zum Kampf, wollte sich erheben, wollte weitere Einschläge spüren. Ein Mann flehte, man möge mit dem Morden
Weitere Kostenlose Bücher