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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Nässe; vielleicht hatte er die zweite und letzte Kugel nicht richtig platziert. Die Zeit, nach seinem Blasrohr zu greifen, nahm er sich nicht, denn es wäre ebenso unbrauchbar.
Den Bogen hätte ich nehmen sollen, statt mich mit einer fremden Waffe aufzuhalten
, dachte er noch, dann zog sich ein heftig brennender Schmerz über seinen Hinterkopf. Er sank in Dunkelheit. Das schlammige Wasser schien erhitzt von Blut, Schweiß und Raserei. Das Licht des aufgegangenen Mondes tanzte auf dem roten Schlamm. Tupans monatliche Wiedergeburt. Tupans Rache für seinen Leichtsinn.
Wird Tupan mich jetzt endlich töten? Tu es, Tupan. Tu es
.
     
    Um ihn lagen und kauerten die überlebenden Ava und schnauften schwer, erschöpft von ihrem sinnlosen Kampf. Peitschenschläge brachten zwei dazu, sich zu erheben und nach den Händen Lebloser zu greifen, um sie an einen Platz zu ziehen, wo bereits die Urubus voller Gier mit den hässlichen Köpfen nickten und mit schwarzen Flügeln flatterten. Die Ambue’y stapften an den Körpern vorbei. Bewegte sich einer, schossen sie. Gelegentlich auch nach den Geiern, die sich nicht davon beeindrucken ließen, wenn einer aus ihrer Reihe kreischend verendete.
    Die Schneise war wie ein Fluss, auf den die aufgehende Sonne ungehindert niederbrannte. Rubens Kehle dürstete. Seine schlammverschmierte Haut fühlte sich an wie Erde, die in der Hitze aufriss. Der zuvor stechende Schmerz seiner Wunden war zu einem dumpfen Brodeln tief im Innern seines ansonsten tauben Fleisches geworden. Er lag auf der Seite, leblos wie jene, die zu einem Scheiterhaufen gestapelt wurden. Wie er aus der Grube gekommen war, wusste er nicht. Aber er wusste, dass man ihn gleich zu den Toten zerren und eine Kugel zwischen seine geöffneten Augen jagen würde. Hatte Tupan wahrhaftig diese elende Art des Sterbens für ihn vorgesehen? Der vertraute Zorn erwachte wieder. Nein, so wollte er nicht enden.
    Den Kopf zu heben, war eine kaum zu bewältigende Mühsal. Er sah, wie sich ein Ambue’y über Pytumby beugte und ihm die Federkette über den leblosen Kopf zog. Das Gewehr unter die Achsel geklemmt, richtete er sich auf, strich Erdbrocken von den Federn, bis sie in aller Farbenpracht erstrahlten, und grinste dabei wie ein beschenktes Kind.
    Noch hatten sich die Arbeiter nicht wieder aufgemacht, das Gleisbett zu verlängern. In einiger Entfernung starrten sie auf das Schlachtfeld. Ihre Herren berieten sich. Ein ums andere vertraute Wort schnappte Ruben auf; stückweise quoll ihre Sprache aus den vergessenen Tiefen hervor. Doch auch ihre sorgenvollen Mienen verrieten, dass ihre in der Nacht ausgeübte Lust am Schießen jetzt bei Tage betrachtet für einen großen Verlust gesorgt hatte. Wer sollte den Kanal ausheben, wer den Weg der Eisenbahn ebnen?, entnahm er ihren Gesprächen. In diesem Landstrich gab es keine Indianerstämme mehr, denn die waren längst geflüchtet. Man würde Sklavenarbeiter anfordern müssen. Bis dahin sollten die Schwarzen die lästige Arbeit übernehmen, und aus den wenigen überlebenden Indios würde man an Muskelkraft noch auspressen, was vorhanden war.
    Ruben bewegte die Finger. Der getrocknete Schlamm bröckelte ab. Wenn es ihm gelang, sich aufzurichten … Wenn es ihm gelang, seinen Bogen zu finden …
    «Der hier lebt noch.» Ein Schatten fiel auf ihn.
    «Erschieß ihn. Auf den warten sowieso schon die Geier.»
    «Sieh mal.» Der Ambue’y bückte sich und griff in sein Haar. «Der ist ja unter dem ganzen Dreck blond! Hast du je von blonden Indianern gehört?»
    «Doch, ja. Die Amazonen, die Pizarro damals gesehen hat, die sollen helle Haare gehabt haben.»
    «Pizarro!» Der Mann lachte. Interessiert fingerte er in Rubens Strähnen herum. «Die sind bestimmt mit irgendetwas gefärbt. Jedenfalls ergäben sie einen schönen Skalp; so etwas wollte ich schon immer haben. Und was ist das hier?»
    Er riss die Schnur mit den Anhängern von Rubens Hals. Ruben wollte danach greifen, doch seine Hand fuhr schwach durch die Luft.
    «Gold! Wer hätte gedacht, dass diese verlausten Brüllaffen Goldschmuck mit sich herumtragen? Wir sollten uns die anderen ebenfalls genauer ansehen.»
    «Gib sie mir zurück», murmelte Ruben. Seine Stimme war so schwach wie alles an ihm.
    «Was hat er gesagt? Indianisch klang das nicht.»
    Er zwang seinen Kopf hoch. «Filho!», krächzte er und spuckte.
    «Wen nennst du ein Arschloch, he?» Eine Faust ging auf seine Schläfe nieder, dass er wieder zurücksackte.
    Sie sahen, dass er blond

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