Die Bucht des grünen Mondes
eine Balletttänzerin, und schlug damit nach einem Gemälde de Angelis’, der auch das Teatro Amazonas ausgestattet hatte. Es gelang ihr, es zu beschädigen. Natürlich fachte das seine Wut nur weiter an. Vielleicht wollte sie es so; sie wusste es nicht. Sie kämpfte in seinem Griff, stemmte die nackten Fersen auf den Boden, wand sich und schrie. Er schleppte sie ins Schlafzimmer und verschloss es hinter sich. Sie wollte hinaus auf den Balkon, sich hinunterstürzen – doch er stieß sie aufs Bett.
«Du weißt wirklich, dich wie ein Hafenarbeiter zu benehmen», er wischte sich über die Wange. Ihm diesen roten Striemen verpasst zu haben, konnte sie sich nicht erinnern. «Bleib endlich ruhig! Und wage es nicht, dich von der Stelle zu rühren.»
Aber dazu war sie plötzlich viel zu erschöpft. Schwer atmete sie die Luft ein, von der sie jetzt merkte, wie abgestanden sie war. Am Bettende lief Kilian hin und her.
«Du bist ein Unglücksrabe. Seit du hier bist, gibt es nur Schwierigkeiten. Du
machst
Schwierigkeiten! Ich ahnte es schon, als ich dich mit dem Photoalbum erwischte.» Auch er keuchte angestrengt. «Mach die Beine breit.»
«Was?»
«Hast du nicht verstanden?»
Sie hatte es. Und sie hörte in sich seine alte Drohung:
Dir liegen doch die Indios so am Herzen? Ich lasse hundert von ihnen aufhängen, wenn du nicht endlich friedlich bist
. Als er auf sie zukam, um ihr mit Schlägen nachzuhelfen, versuchte sie sich herumzuwerfen. Er war schneller. Kräftiger. Ihre Tritte halfen ihr nicht. Die Fußgelenke fest umklammert, zwang er ihre Beine auseinander.
Jäh begriff sie, was er sehen wollte. Sie erstarrte.
«Da Silva sagte mir, du hättest dich in irgendeinem Lokal wie eine Varietétänzerin aufgeführt. Du hättest ihn verführen wollen. Ist das wahr?»
Wie sollte sie je das Gegenteil beweisen? Selbst wenn sie es versuchte, würde sie nur Leute finden, die bestätigten, dass sie dort gewesen war. Und das Ehepaar Ferreira besaß wahrscheinlich auch keine richtige Erinnerung an diesen Abend. Lebhaft konnte sie sich ausmalen, wie Malva auf Kilians Frage mit den Augen rollte und begeistert rief:
Sie war fantastique!
«Natürlich ist es wahr», gab er sich die Antwort. «Denn du bist ja immer noch nass, du Hure. Und ausgerechnet du hast immer das Unschuldsengelchen gespielt, das daheim immer schön die Nase in Anstandsblätter gesteckt hat. Wolltest mir weismachen, dass du nichts wüsstest über die liederlichen Sitten in Berlin, haha!»
Er beugte sich vor. «Aber nicht deshalb gab er mir den Rat, dir etwas genauer unter den Rock zu schauen. Was bedeutet diese Tätowierung? Doch nichts anderes, als dass du dir unter den Indios einen Liebhaber gesucht hast, und der hat dir das gestochen, stimmt’s?»
Unten lärmten wieder die Aras. Von draußen hörte sie gedämpft die Stimme eines Gärtners. Hufgetrappel und knirschende Räder auf dem Kies. Sie meinte sogar das Plätschern des Springbrunnens vor der Freitreppe zu hören. Alles ging seinen gewohnten Gang. Und sie starb hier drinnen tausend Tode.
Kilian hockte sich auf die Bettkante und setzte einen besorgten Blick auf, als säße Doktor Barbosa hier. «Amely! Begreifst du nicht, was du mir damit angetan hast, dich ausgerechnet mit einem Indianer eingelassen zu haben? Gott, wie ekelhaft. Hatte das Tier überhaupt einen Namen?»
Ruben. Ruben. Ruben
.
«Warum?» Er griff in ihr Haar und schüttelte ihren Kopf. «Herrgottnochmal,
warum
?»
Sie öffnete den Mund. Aber sie brachte den Namen seines Sohnes nicht über die Lippen. Kilian verdiente es nicht, von ihm zu wissen. Niemals. Er würde ihr diese Ungeheuerlichkeit jetzt, in dieser Situation, sowieso nicht glauben.
Er stieß sich hoch und stapfte vor dem Bett auf und ab. Dann schenkte er sich das nächste Glas ein und trank es in einem Zug leer. «Warum, warum?», murmelte er unentwegt vor sich hin.
Sicherlich fragt er sich, warum sein Leben so verkommen ist
, dachte Amely böse.
Er wird nie begreifen, dass es mit mir nichts zu tun hat
.
Sein sinnloser Weg führte ihn auf den Balkon. Dort rief er auf Portugiesisch, dass man ihm etwas bringen möge; was, verstand sie nicht. Sie hörte, wie er mit dem Zedernholzkästchen klapperte, das immer auf dem Tisch bereitlag, falls er beim Frühstück im Freien Lust auf eine Zigarre bekam. Dass die fast vollen Kästchen wegen des Regens ständig ausgetauscht wurden, wusste er wahrscheinlich nicht. Mit qualmender Zigarre kehrte er zurück. Es klopfte. Er nestelte
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