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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Händen an. «Lassen Sie mich Ihre Frau nach Macapá bringen, Senhor Wittstock. Gewähren Sie dieser …
Angelegenheit
noch ein wenig Würde.»
    Kilian knurrte. «Meinetwegen.» Er schob ihn wie einen lästigen Diener beiseite. An der Tür drehte er sich noch einmal um. «Sag mir, was du von deinen Sachen haben willst. Ich schicke jemanden an Bord, der sie dir bringt.»
    Ihre Gedanken rasten, während sie die Tote zurück auf die Matratze sinken ließ und sich dabei bemühte, es ordentlich zu tun. Was wollte sie denn, was hatte sie überhaupt, das für sie irgendeinen Wert besaß? Ihr geschnitzter Tukan – niemals würde sie dieses Schmuckstück erwähnen; sie brachte es nicht über die Lippen. «Meine Haarwaschseife
Ich kann so nett sein
vielleicht?»
    «Spott kannst du dir nicht mehr leisten, Amely.»
    Irgendetwas musste sie wollen. Denn nur dann würde die
Amalie
in Manaus’ Hafen noch einmal anlanden.
    «Meine neue Geige», sagte sie.
     
    Wie betäubt saß sie an Deck und betrachtete die vertraute Landschaft. Nie wieder sollte sie in die
Casa no sol
zurückkehren? Nie mehr die Schwarze Maria, nie mehr Bärbel sehen? Die Gräber im Park, ihr Zimmer … Nicht, dass sie diesen merkwürdigen Friedhof oder das Haus je geliebt hätte. Doch das passierte nicht ihr, nicht jetzt, niemals. Sie saß hier unter dem Sonnensegel, neben dem kleinen Esstischchen, auf dem der Steward gekühlte Früchte in Porzellanschalen servierte, und alles schien wie damals, als Herr Oliveira ihr das Faultier gezeigt, ihr ein Opernglas geschenkt und sie mit all den faszinierenden Geschichten und Belehrungen unterhalten hatte. Damals hätte es sie froh gestimmt, hätte er gesagt, sie dürfe zurück nach Hause, nach Berlin.
    Und jetzt will ich es nicht
.
    Schon gar nicht auf solch eine erniedrigende Weise.
    Ihr wurde heiß und kalt vor Furcht. «Bitte bringen Sie mir meinen Fächer», wies sie den Steward an, der ihr sogleich den Wunsch erfüllte. Der Fächer war aus violett gefärbter Seide mit Spitzenbesatz. In ihrem Schlafzimmer in der
Casa no sol
lag ein Dutzend, einige davon mit aufgenähten Diamanten, Spielereien einer unfasslich reichen Frau. Im Vergleich dazu war dieser hier geradezu schlicht. Doch nicht einmal einen solchen besaß eine Näherin …
    Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und heulte in den Fächer, während sie am ganzen Körper zitterte. Es war ihr gleich, ob die Schiffsbesatzung ihren Ausbruch bemerkte – die hatten sie schließlich schon gesehen, wie sie mit gehobenen Röcken vor Kilian stand.
    «Senhora Wittstock, bitte …»
    Sie ließ die Hände sinken. Vor ihr stand Herr Oliveira, unbeholfen ein Taschentuch vorgestreckt. «Danke», sie nahm es und tupfte sich das Gesicht trocken.
    «Wenn Sie es wünschen, lasse ich auch nach Ihrem Schmuck schicken», sagte er leise.
    Sie dachte an die Inka-Kette, Kilians Weihnachtsgeschenk, das sie sich vom Hals gerissen und ihm zu Füßen geworfen hatte. Damals hatte sie nicht geahnt, dass sie sich eine so dramatische Geste der Verschwendung nie mehr würde erlauben können. «Es dürfte nicht in meines Mannes Sinne sein, dass ich seine Strafe umgehe, indem ich mir mit meinem Schmuck ein finanzielles Polster schaffe», erwiderte sie düster. «Und ich will ihn auch gar nicht. Aber danke für Ihre Hilfsbereitschaft. Wenn Sie mir nur
einen
Gefallen noch tun wollen?»
    «Was immer ich tun kann, Senhora.»
    «Der junge Miguel soll mir die Geige in die Kabine bringen.»
    «Miguel?»
    Die Schultern straffend, erhob sie sich. Sie schenkte ihm das beste Lächeln, dessen sie fähig war. «Einen, wenigstens einen, von den netten Leuten aus der
Casa
möchte ich noch einmal sehen.»
    «Selbstverständlich. Mir tut das alles sehr leid, Senhora.»
    «Ich weiß. Sie bitten mich um Verzeihung, seit ich dieses Land betreten habe, und Sie werden es noch tun, wenn ich es verlassen muss.»
    Den Rest der Fahrt zog sie sich in ihre Kabine zurück. Bald drang das geschäftige Lärmen des Hafens an ihre Ohren, gefolgt von den fauligen Gerüchen. Lebhaft konnte sie sich das Gewimmel ausmalen, all die Arbeiter, Seeleute, Taschendiebe und Bauchladenverkäufer. In der schicken Eiffel-Markthalle balgten jetzt die Katzen um Fischköpfe, und in den zwielichtigen Kneipen kämpften leichte Mädchen mit bettelnden Affen um die Aufmerksamkeit gutsituierter Herren. Das Schiff bog in den ruhigeren Igarapé
do Tarumã-Açú ein.
Brotduft wehte herein – eine Bäckerpiroge tuckerte vorbei. Nicht mehr

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