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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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lange dauerte es, und die
Amalie
machte an Kilians kleinem Privathafen fest.
    Das bedeutungsloseste Geräusch sog Amely auf. Plötzlich war ihr alles lieb. Dass sie nach einer Mücke schlagen musste; dass die Luft so feucht war; dass die Stoffschichten auf der Haut klebten. Die ewige Sonne, der ewige rasche Regen. Ginge sie wirklich nach Berlin, würde sie sich fühlen wie die Menschen in der Exotenschau: erdrückt angesichts des winterlichen Himmels und ständig frierend.
    Manaus war scheußlich. Aber sie liebte dieses Land. Ihr Vater hatte ihr versprochen, dass es so kommen würde. Natürlich war es nur so dahingesagt gewesen. Aber er hatte sein Versprechen gehalten.
    Schritte über ihr. Herr Oliveiras gedämpfte Stimme; Amely verstand nichts. Ihr krampfte das Herz. Sie zerrte den zusammengefalteten Fächer durch die Hand, dass der zarte Stoff riss. Als es an ihre Kabinentür klopfte, schrak sie hoch. «Favor entrar!», rief sie.
    Miguel trat ein. Er hielt den Kopf zwischen den gehobenen Schultern, als wolle er sich klein machen. War ihr je aufgefallen, dass er abstehende Ohren hatte? «Ich bringe die Geige, Senhora», sagte er, heftig drei Diener hintereinander machend.
    «Miguel.» Sie wollte ihn anlächeln, wie es eine Hausherrin zu tun pflegte. Sie konnte es nicht. «Ach, Miguel, sieh mich nicht so an.»
    Langsam ließ er die Schultern hängen. Er schien auch nicht weiterzuwissen. So starrten sie einander an. Bis er plötzlich in seine Jacke griff.
    «Das hab ich schnell auf dem Weg mitgenommen. Ich dachte, Sie mögen es sehen. Die Trommeln pfeifen’s von den Dächern in Manaus, wie schön Sie aussahen.» Er reichte ihr eine zusammengefaltete Zeitung. Es war nicht das
Jornal
, sondern eine der fünf anderen Tageszeitungen der Stadt. Tatsächlich, ihr Bild prangte auf der Rückseite, zwischen einer Reklame für Moskitonetze und einem Steckbrief. Die Zeitungen daheim in Berlin hatten Photographien eher hohen Häuptern vorbehalten, aber hier spielten Druckkosten natürlich keine Rolle.
    «Die Spatzen, Miguel, die Spatzen. Danke. Das ist eine nette Erinnerung.»
    «Und Ihre Geige, wie gewünscht, Senhora.»
    Da sie nicht zugriff, legte er den Geigenkasten auf das Kabinenbett. Dann wartete er. Nicht auf einen Real offenbar. Innerlich machte sie sich bereit, ihm ihr gewagtes Ansinnen vorzutragen.
    «Es tut mir leid», platzte er heraus. Seine brasilianische Bräune färbte sich rot. «Das mit den Ameisen. Ich würd’s wiedergutmachen, wenn ich könnte, wirklich, Senhora. Aber ich wusste ja nicht, was mit den Viechern passieren würde, ich wollt doch nur die Maria …» Er schluckte und ließ den Kopf hängen.
    «Ich weiß doch, Miguel. Und dass du es gutmachen willst, das ist wie ein Himmelsgeschenk für mich.»
    Seine Stirn krauste sich fragend. Ob es das wirklich war oder sich ihr Vorstoß als Reinfall entpuppen würde wie bei Senhor Trapo – bald würde sie es wissen.
    «Du weißt sicher schon, dass die
Amalie
zur Küste fährt. Und warum.»
    «Ja», kam die heisere Antwort.
    «Aber es ist schon spät; heute wird der Kapitän nicht mehr aufbrechen.»
    «Nein.»
    «Kannst du in der Dunkelheit das Haus verlassen, ohne dass es jemand bemerkt?»
    Natürlich konnte er. Jeder halbwüchsige Junge konnte das. Seine Gesichtszüge entgleisten für einen kurzen Moment. «Um … was zu machen, Senhora?»
    «Ich möchte, dass du ein kleines Ruderboot besorgst und neben dem Schiff festmachst. Natürlich so, dass es niemand merkt», erklärte sie, und sein Kinn klappte herunter. «Am liebsten wäre mir ja ein Einbaum», fügte sie hinzu.
    «Sie – Sie wollen abhauen?»
    War es richtig, diesen letzten Dienst von ihm zu verlangen? Oder lieferte sie ihn damit ans Messer, wie sie es mit Trapo getan hatte? Um nichts in der Welt hätte sie diesen unschuldigen Jungen gefährden wollen. Doch sie beruhigte sich; hier gab es niemanden mehr, dem sie versehentlich ihre Pläne verraten konnte, und Miguel war für Kilian kein namenloser Seringuero. «Ja, das will ich, Miguel.»
    «In den Dschungel?»
    «Ganz genau.»
    «Aber das ist gefährlich, und Sie können doch nicht einfach auf dem Fluss rudern … ich meine, Sie … Sie …»
    «Hast du’s etwa nicht gelesen?
Kautschukbaronin kehrt als Indianerin zurück
, steht da.» Sie streckte die Zeitung vor. «Meine ungeübten Arme werden vermutlich fürchterlich weh tun, ja. Aber ich habe zu paddeln gelernt, das kannst du mir glauben. Da waren die Indios ziemlich mitleidlos. Du

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