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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Sein Kopf war noch geduckt vom Eintreten durch die niedrige Tür. «Du hast sie erwürgt», hauchte Amely. Und schrie: «O Gott, du hast sie umgebracht!»
    «Nein», widersprach er erstaunlich ruhig. «Sieh doch genau hin: Sie hat sich erhängt.»
    Wieder schrie sie. Ein wortloses Gellen. Sie wich zurück, fand das kleine Fenster in der Schräge. Als sie es geöffnet hatte, um nach Hilfe zu rufen, sah sie niemanden als Felipe da Silva unten herumlungern, die Finger suchend in der Hemdtasche. Er wäre der Letzte, der ihr beistünde. Sie schlug das Fenster wieder zu.
    «Senhor Wittstock, bitte …» Herr Oliveira stand im Türrahmen, die gute, treue, hilflose Rechte Hand.
    «Was denn? Ich schlage sie doch gar nicht, oder sind Sie blind, Oliveira? Ich habe gar kein Interesse mehr daran, ihr Anstand beizubringen! Gehen Sie hinaus, oder ich
werfe
Sie hinaus, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    Zögernd und blass im gebräunten Gesicht, wich Herr Oliveira auf den Korridor zurück. Amely ging hinter das in den Raum hineinragende Bett, um etwas zwischen sich und Kilian zu haben. Mehr noch, sie hockte sich auf die Bettkante und nahm die federleichte Marisol in den Arm, die unsinniger Pläne wegen hatte sterben müssen. Ganz leicht roch sie nach Wald. Noch nicht nach Tod; es musste vor kurzem erst geschehen sein. Kilian und da Silva waren absichtlich hierher aufgebrochen – der Oue-Wald war niemals ihr Ziel gewesen. Doch woher wussten sie …
    «Du fragst dich, woher ich es weiß», erriet Kilian ihre Gedanken.
    Die Karnevalsnacht
, dachte sie sofort. Da hatte sie anscheinend champagnerselig geplaudert.
    «Du selbst hast es mir erzählt, Amely-Liebes. Der Schmerz der Ameisenstiche setzte dir so sehr zu, dass du bereitwillig auf alle meine Fragen geantwortet hast. Dass die Tätowierung von Ruben sei, ordne ich deiner verrückten Phantasie zu. Dass du mich zu Fall bringen willst, indem du Kautschuksamen außer Landes bringst, wollte ich auch nicht so recht glauben. Aber das Geständnis des Arbeiters hat mich dann eines Besseren belehrt. Sieh mich nicht so entsetzt an! Hast du wirklich geglaubt, es könnte dir gelingen? Dir, dem närrischsten Frauenzimmer, das mir je begegnet ist?»
    Er war näher gekommen; seine Knie drückten gegen die Kante des Bettes. Amely duckte sich hinter dem Leichnam.
    Gleich bin ich auch tot
.
    Seine Fäuste sackten auf die Matratze, als er sich vorneigte. «Du weißt ja, was mit Schmugglern hierzulande geschieht», grollte er, das verbrauchte Gesicht nur zwei Handbreit von ihrem entfernt. «Aber so hartherzig bin ich ja gar nicht, dich den Behörden auszuliefern. Auf
diesen
Skandal habe ich keine Lust. Ich lasse mich von dir scheiden und schicke dich zurück zu deinem Vater. Was mit verstoßenen Frauen, die ein fremdes Balg austragen, geschieht, muss ich dir ja wohl nicht erzählen, oder doch? Dich fasst keiner mehr an. Du kannst als Näherin dein Leben in irgendeiner dunklen Hinterhofwohnung im kalten Berlin fristen. Von deinem Vater wirst du auch nichts erwarten können: Meine geschäftlichen Beziehungen zu ihm werde ich kündigen. Ich kann seine Firma vollkommen ruinieren, wenn ich das will. Dich mir aufzuschwatzen, das wird er noch lange bereuen!»
    Nichts davon war eine leere Drohung.
    «Besser wäre es aber, ihm zu sagen, dass er dich in eine Nervenheilanstalt stecken soll. Wenn er erfährt, dass du dich mit einer Spiegelscherbe hast umbringen wollen, wird er das sowieso tun. Du bist ja nicht einfach nur ein bisschen närrisch … Mir zu sagen, Ruben sei am Leben! Er ist aber tot. Tot. Tot!» Seine Faust packte sie über Marisol hinweg und schüttelte sie, dass ihr Hören und Sehen verging. «Und du wirst fort sein, bevor du noch ein weiteres Wort über meine verstorbenen Söhne verlieren kannst!»
    Er richtete sich auf, strich seinen vor Erregung zitternden Bart glatt.
    «Du wirst sofort auf die
Amalie
zurückkehren. Die ich im Übrigen wieder als mein Eigentum betrachte, da sie mein Verlobungsgeschenk war. Da Silva bringt dich ohne Umwege an die Küste. Ich weiß nicht, wie lange du dort warten musst, bis ein Schiff nach Hamburg ausläuft. Meinetwegen kannst du ein paar Wochen in irgendeiner Absteige in Macapá versauern. Du kannst dich auch währenddessen von da Silva vögeln oder verprügeln lassen, wie es dir Spaß macht – das ist mir egal.»
    Schnelle Schritte. Herr Oliveira kam herein, bittend die Hände erhoben. «Não, por favor!» Tatsächlich, er flehte Kilian mit gefalteten

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