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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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das Talent fehlt.»
     
    «Nein, ich brauche keine Sänfte, Herr Oliveira. Danke, nein, Sie müssen sich auch nicht um ein Pferd bemühen. Es ist doch nur ein kurzes Stück! Was soll ich mit dem Gazeschleier am Hut, der stört mich nur.» Zum Donnerwetter, seine Fürsorge war ihr lästig. Seine ganze Anwesenheit war es. Würde sie unter seinen Argusaugen Gelegenheit finden, mit Trapos Frau zu sprechen? Sie raffte ihre Röcke und eilte über den vom letzten Regen rissig gewordenen Boden der Schneise, so hässlich wie jene im Oue-Wald … Herr Oliveira hastete hinter ihr her.
    «Maldito», raunte er unziemlich in den Bart, und dann lauter: «So warten Sie doch, Senhora Wittstock! Lassen Sie mich zuerst hineingehen.»
    «Warum?»
    «Ich sagte es Ihnen doch schon: Ich weiß eigentlich nichts. Ich weiß nur …»
    Aber da tauchte schon die in Sonnenlicht gehüllte ‹Hütte› auf der Lichtung auf. Amely rannte die Stufen der Veranda hoch und riss die Tür auf. Das kleine Vestibül lag ruhig, und auch in der Teestube hielt sich niemand auf. Aus der Küche wehte Kaffeeduft; leise klapperte Geschirr. Der Kammerdiener war ein alter schwerhöriger Mann; der pflegte nicht beim leisesten Hufgetrappel aufzumerken. Aber wo blieb ihre Hausdame, Frau Trapo, die sich Marisol nannte? Auch von den ehemaligen schwarzen Sklaven, von denen immer einer in der Nähe war, falls man seiner Arbeitskraft bedurfte, war keiner zu sehen. Im Gegensatz zur bevölkerten
Casa no sol
hatte dieses kleine Haus schon immer ruhig gewirkt, doch trotz der Geräusche aus der Küche erschien es ihr jetzt gottverlassen.
    Ihr Herz schlug ihr so heftig gegen die Brust, dass ihr der Atem wegblieb. Auf dem Teetischchen, in einem goldenen Aschenbecher, lag ein Zigarrenstummel. Der Geruch des Tabaks hing noch in der Luft. In einer Ecke lehnte ein schwarzglänzender Spazierstock, und da war der Jipijapa … Hätte sie sein Schiff nicht sehen müssen? Aber sie war ja so rasch von Bord gestürmt.
    Treppenstufen knarrten. Sein Schatten erschien an der Wand, noch vor ihm. Langsam schritt er herunter. Das Jackett zerknittert, die Haare verschwitzt, der Bart akkurat wie eh und je.
Das hat alles gar nichts zu bedeuten
, redete Amely sich ein. Contenance wahren, wie Frau Ferreira jetzt sagen würde. Betont gleichmütig löste sie die Hutschleife unter dem Kinn und legte den Sonnenhut ab. An der Tür klopfte es; Herr Oliveira trat ein. Und erstarrte beim Anblick seines Herrn. Hastig verneigte er sich.
    «Haben Sie also meiner Frau verraten, dass ich hier bin», brummte Kilian.
    «Nein – nein, das nicht», stotterte Herr Oliveira. Wo war seine elegante Art? Er kämpfte mit der Enge seines Hemdkragens. «Aber es war nicht leicht, nichts zu sagen.»
    Amely wollte der Höflichkeit Genüge tun und Kilian grüßen, aber er tat es ja auch nicht. «Weshalb bist du hier?»
    Sie wusste plötzlich, dass er im Bilde war. Woher, o Gott, woher? Trapo hatte sie verraten! Ach, wie dumm war sie gewesen, sich auf diesen Mann einzulassen. Zeit hätte sie sich nehmen sollen, andere Möglichkeiten zu prüfen und Kilian eine brave Gattin zu sein, über deren alberne Unternehmungen er irgendwann nicht mehr nachdachte. Was sie vorhatte, kostete ohnehin furchtbar viel Zeit. Jetzt war es zu spät …
    «Der Arbeiter, dem du den Diebstahl des Kautschuksamens befohlen hast, hängt seit gestern draußen im Wald», erwiderte er ruhig.
    Seine Worte schlugen in ihr ein wie ein Donnerkrachen über dem Fluss.
    «Möchtest du, dass da Silva dich hinführt?» Er setzte sich an den Tisch, da der Kammerdiener, Amely versonnen grüßend, den Tee servierte. Sie sackte auf einen der anderen Stühle.
    «Ich weiß nicht, wovon du sprichst.» Ihre Zunge führte ein Eigenleben; andernfalls hätte sie nicht etwas so Törichtes gesagt.
    «Seine Frau ist ebenfalls tot …»
    Sie sprang wieder auf und rannte die Treppe hinauf. Oben die Kammer unter einer Dachschräge, diese gehörte Marisol. Ohne anzuklopfen, öffnete Amely die Tür. Wenn die Frau doch hier nur säße, irgendetwas stickte oder schlief oder …
    Marisol schlief tatsächlich. Die Indiofrau lag, gekleidet in ihre Dienstmädchenlivree, auf einem schmalen Bett. Aber so lag kein Mensch, der sich ausruhte – starr, alle viere von sich gestreckt. Um ihren Hals, fast verdeckt von den offenen Haaren, war ein zusammengedrehter Stoffstreifen geschlungen.
    Hinter Amely stürmte Kilian in den kleinen Raum. Sie fuhr herum, als er sie an der Schulter berührte.

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