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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Bananen und kleingeschnittener Eidechse in sich hinein – ein Wohlgeschmack nach den Tagen, an denen er sich nur von Wurzeln, Blättern und einigen Früchten ernährt hatte. Als er den dritten Becher Guaraná leerte, seufzte Padre José auf. «Ich werde tagelang Honig sammeln müssen, um aufzufüllen, was du vertilgst, ist dir das klar?»
    «Willst du, dass ich dich bezahle? Ich habe zwar nichts, aber …»
    «Um Gottes willen, nein! So war das nicht gemeint. Es ist meine Christenpflicht, dir zu helfen. Darum nur bin ich ja hier. Schau», er hob einen Finger, unter dessen Nagel der Dreck strotzte. «Früher gab es viele Missionen im Urwald – solche Siedlungen wie diese hier. Meine Ordensbrüder machten es sich zur Aufgabe, der Neuen Welt Gottes Wort zu predigen. Und der Sklaverei Einhalt zu gebieten; ja, die gab’s schon, seit das Land nach seiner Entdeckung an Portugal fiel und man Zuckerrohr anbaute. Sie wollten aber auch die Indios einen ordentlichen Tagesablauf lehren, wie man sich anständig kleidet und solche Dinge. Aber die Menschen deines Volkes sind faul, begriffsstutzig und einfältig wie dieser Nichtsnutz hier. Zumindest tun sie so. Gib ihnen am Morgen eine Axt für Feuerholz, und sie bringen am Abend ein paar dünne Zweiglein. Aber gib ihnen ein Boot, und sie werden den ganzen Tag, ohne jede Rast, gegen die Strömung rudern, um einen Verwandten zu besuchen. Ist’s nicht so, Cristobal? Mach’s Maul auf, Junge! Ha, siehst du, wie störrisch er ist? Kriegt es nicht auf. Ich dafür umso besser.»
    Eben davon fühlte sich Ruben wie erschlagen.
    «Die Indianer lebten gerne eine Zeitlang in den Missionen, wo man sich nicht der Gefahr der Jagd aussetzen musste und das Leben viel leichter war. Aber stets war das Heimweh stärker. Irgendwann begann der Fluch des Kautschuks, all diese schrecklichen Dinge; ich weiß gar nicht, ob du davon je gehört hast …»
    «Habe ich.»
    «Die Wilden zogen sich tief in die Wälder zurück, und die Missionen zerfielen, wie diese hier.»
    Ruben deutete auf das verrottete Kreuz, das der Mann, der sich Padre José nannte, und Cristobal hergeschleppt hatten. «Also gab es hier schon früher eine Mission?»
    «Wer weiß, mein Sohn, wer weiß.» Padre José schnürte einen Beutel auf, was den Papagei zu unruhigem Wippen veranlasste. Gierig schnappte der Ara nach den hervorgeholten Nüssen. «Es gibt schlimme Geschichten um solche Kreuze. Weiße Herren stellen sie auf, mitten im Wald, und beauftragen Indios, sie instandzuhalten. Aber das kann man ja gar nicht; alles verwittert schnell, wie man ja auch seine Hütten ständig neu errichten muss. Dann kehren sie nach einiger Zeit zurück, erklären die Aufgabe für nicht erfüllt und fordern als Entschädigung Menschen, die sie in die Sklaverei verschleppen. Und das im Namen meines Gottes! Glaub mir», er schlug eine Hand auf Rubens Schulter, «ginge es nach mir, würde ich solche Kerle am Spieß rösten! Magst du noch vom Eintopf?»
    Ruben rieb sich die schmerzende Schulter. Dunkel erinnerte er sich daran, in Manaus geschworen zu haben, nie wieder Essen aus den Händen eines solchen Mannes anzunehmen.
Was soll’s
. «Ja», er hob seine fast geleerte Schale, die Padre José mit einer riesigen kupfernen Schöpfkelle schnell wieder gefüllt hatte. «Einen Schwarzgekleideten wie dich traf ich in Manaus. Auch er schor sich den Hinterkopf. Weshalb tut ihr das?»
    Padre José strich sich über die kreisrunde Stelle in seiner Mähne, die mit Stoppeln überwuchert war. «Es hat viele Gründe. Zum Beispiel, damit die Läuse nicht so leicht nisten können. Die Yanomami machen es deshalb, hörte ich.» Er lachte, als wüsste er allzu gut, dass in seinen verfilzten Haaren noch ganz anderes als Läuse nistete. «Vor allem aber soll es mich an meinen Gott erinnern. Was wohl bedeutet, dass ich ihn in dieser grünen Hölle ab und an vergesse. Cristobal, geh und schleife mein Rasiermesser, es wird höchste Zeit!»
    Sichtlich widerwillig legte Cristobal seinen Eidechsenspieß beiseite und schlurfte in eine der Hütten.
    «Weshalb ist er noch hier?», fragte Ruben.
    «Ich fand ihn vor ein paar Jahren am Weißen Fluss. Fast tot, fast verhungert. Alles, was ich aus ihm herausbekam, war, dass er zu den Flussleuten gehörte. Sie leben auf großen Booten, wo sie feiern und Götzendienste tun und ihre Weiber Kinder gebären – ans Ufer gehen sie nur, wenn es unumgänglich ist.»
    «Ich hörte von ihnen.»
    «Irgendwann waren sie fort. Den Jungen

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