Die Bucht des grünen Mondes
brüllte Kilian, dass sein Speichel den Arzt benetzte.
Barbosa wischte sich über die Wange. «Der Tod Ihres Sohnes hat nichts mit Ihrem Gesundheitszustand zu tun. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, den Sie nicht annehmen werden: Trinken Sie weniger. Und essen Sie nicht so spät so viel. Aber zu Ihrer Beruhigung lasse ich Ihnen ein Glas Chinintabletten da.»
«Verschwinden Sie, Sie …»
«Aber gern.» Doktor Barbosa erhob sich und machte einen Diener in die Runde. «Wenn Sie mich entschuldigen, werte Damen und Herren.»
Maria nahm die Malariamedizin entgegen und verstaute sie in ihrer Schürze. «Sehen ganz blass aus», sagte sie – und meinte damit Amely, die verwirrt zusammenzuckte. Die Negerin zog sie beiseite. «Dona Amalie, habe Angst vor heut Nacht? Müsse nicht. Ihrer Gatte zu schwach heute.»
«Zu schwach? Wofür?»
Sie rollte die Rosinenäuglein. «Nicht wisse …? Ah, Sinhá. Das da. So.» Ihr Zeigefinger stieß in die andere Hand, die zur Faust geballt war. Felipe da Silva grinste noch breiter als sonst. Er kam näher.
«Sie meint, dass er Sie heute Nacht noch nicht anrühren wird. Aber Maria, du weißt doch, die Preußen ziehen durch, was sie sich vornehmen.»
Amely wusste nicht, was sie davon abhielt, ihm eine Ohrfeige zu geben. Ihre gute Kinderstube? Furcht? Frau Ferreiras begeistertes Klatschen lenkte sie von ihm ab. Es galt Kilian, der sich erhoben hatte. Tatsächlich wirkte er weniger derangiert als soeben noch, seine Gesichtshaut besaß wieder Farbe. Er streckte die Hand nach Amely aus. Gehorsam trat sie zu ihm und legte ihre Hand in seine.
«Liebste Frau», sagte er aufgeräumt. «Der Zwischenfall tut mir leid. Du sollst doch das Fest in schöner Erinnerung behalten.»
Es gehört ins Kuriositätenkabinett der Erinnerungen
, dachte sie.
Eine Hochzeit war das jedenfalls nicht.
«Lass mich dir nun mein Hochzeitsgeschenk überreichen. Miguel!»
Der braungebrannte Steppke rannte fort und kehrte mit einer Kiste zurück, an der er schwer schleppte. Amely hatte mit Schmuck gerechnet – aber die Kiste aus rotem Brasilholz war viel zu groß dafür. Kilian stellte sie feierlich auf einem Beistelltischchen ab. Ebenso feierlich klappte er sie auf und griff langsam hinein. Amely reckte den Hals. Hoffentlich war es etwas Schönes und nicht einer dieser verrückten Hüte oder etwas in der Art. Sie wollte keine Freude heucheln müssen.
«Eine Geige», hauchte sie.
Er hielt den Geigenkasten ein wenig unbeholfen auf dem Arm, als er damit zu ihr schritt. «Eine Amati-Geige. Gebaut von Nicola Amati, Ende des siebzehnten Jahrhunderts.»
Er überließ es ihr, den Kasten zu öffnen. So viele Gerüche schwebten hier im Raum, noch die des Essens und die schweren Parfüms der Damen. Und doch meinte Amely, den Duft des Holzes wahrzunehmen. Diese Geige war unglaublich kostbar. Nicola Amati hatte niemand Geringeren als Stradivari ausgebildet. Sollte sie einfach zugreifen? Kilians Lächeln war stolz wie das eines Kindes, das sich entschlossen hatte, sein Lieblingsspielzeug herzugeben. Sie nahm das Instrument und den Bogen an sich.
Er schlug den Kasten zu, klemmte ihn sich unter den Arm und strich selbstzufrieden seinen Bart glatt. «Trotz des Klimas hier wird sie ja hoffentlich ein paar Jahre halten. Ich freue mich auf den Opernbesuch mit dir. Komm, spiel uns doch etwas vor.»
Es war still geworden. Amely dachte, dass sie die Violine erst stimmen müsse. Unschlüssig spielte sie ein paar Takte und drehte an den Ebenholzwirbeln. Verzweifelt versuchte sie sich auf ein Stück zu besinnen, mit dem sie sich in ihrer jetzigen irritierten Verfassung nicht blamierte und das trotzdem etwas hermachte. Schließlich hob sie den Bogen. Eine der Fantasiesonaten Telemanns füllte den Salon. Verzückt lauschte Amely sich selbst. Das war ihre heimliche Welt, nicht diese überbordende Dekadenz um sie herum. Sie schloss die Augen. Ganz zu entspannen vermochte sie sich jedoch nicht; sie vergaß nicht Kilians Gegenwart. Doch als sie die Lider hob, während das Stück langsam endete, war es Felipe da Silva Júnior, den sie ansah. Besaß ein Mann wie er Verständnis für Musik? Sein Blick war auf sie gerichtet, sein Gesicht angespannt. Mit einem fast gewaltsamen Ruck drehte sie sich von ihm weg.
Ihre Hand, die den Bogen führte, zitterte.
Seine Gegenwart ist kein Genuss?,
dachte Amely.
Himmel. Und wie.
Tief in der Nacht schloss Maria die Flügeltür zum Eheschlafzimmer auf. Sie, Bärbel, Consuela und zwei andere
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