Die Bucht des grünen Mondes
Hausmädchen standen Spalier. Eigentlich hätte nur noch Herr Oliveira gefehlt, um Amely das Geleit zur Hochzeitsnacht zu geben. Maria drückte ihr eine winzige hölzerne Maske in die Hand. «Wird gut, wird gut!», flüsterte sie und tätschelte ihre Wange. Dann zog die Dienerschaft davon. Amely packte Bärbel am Arm, damit die sich nicht auch noch drückte. Ganz so schnell wollte sie jetzt nicht allein sein.
Ihr Nachthemd lag ordentlich zusammengefaltet auf dem Bett, das ein Traum aus weißer Seide und Baumwolle war, mit weißer Gaze rund um den Betthimmel. Der Duft eines riesigen Rosenstraußes auf dem Toilettentisch erfüllte den Raum. Auch hier gab es unsinnigerweise einen Kamin. Auf der Konsole stand eine bronzene Frauenfigur, die auf dem Kopf ein Zifferblatt trug. Daneben ein Kandelaber mit fünf brennenden Kerzen. Ein durchaus romantisches Ambiente. Hinge nicht ein unsichtbares Damoklesschwert über dem Bett. Amely war sich sicher, dass Maria sich täuschte: Kilian war nicht zu schwach.
«Frollein Amely! Frollein Amely, gucken Sie mal!»
Bärbel hatte eine rückwärtige Tür geöffnet. Ihr ausgestreckter Finger wies auf zwei Wasserhähne, die über einer löwenfüßigen Badewanne aus der Wand ragten.
«Det gloob ick jetzt nich’! Frollein! Die sind aus Gold, oder?»
«Sieht so aus.» Goldene Wasserhähne. Und nicht nur das – einer war offenbar für heißes Wasser gedacht. Amely überlegte, ob sie das gleich nachprüfen sollte. Im sparsamen Haushalt der Wehmeyers musste man das Wasser auf dem Ofen heizen; man schüttete es in einen kupfernen Zuber und stieg dann nacheinander hinein. Zuallerletzt, wenn es lau und trüb war, weichte man Wäsche darin ein. In dieser glänzenden Emaillewanne pflegten sicherlich keine Socken zu schwimmen.
Es gab auch zwei große Waschbecken, von grünem Marmor eingefasst. Auf dem rechten standen allerlei Flakons und Fläschchen. Noch eine Vase mit frischen Blumen. «Schau mal.» Amely nahm ein goldenes Fläschchen in die Hand.
Ich kann so nett sein
, stand auf dem Etikett.
«Ui, Damenhaarwaschseife von François Haby», staunte Bärbel.
«Das Porto dürfte noch teurer als die Flasche gewesen sein.» Auch auf dem anderen Waschbecken entdeckte Amely die im Deutschen Reich allseits begehrten Produkte des kaiserlichen Hoffriseurs, Rasierseife, Bartpomade und eine Bartbinde. Sollte sie sich etwa allmorgendlich Seite an Seite mit Kilian waschen? Sie war sich sicher, dass ihre Eltern sich niemals voreinander entblößt hatten.
«Wenn Sie vorher … ich meine, wenn Sie baden möchten, Fräulein Amely, dann gehe ich mal hinunter und frage, wie das funktioniert mit dem heißen Wasser.»
Heftig fuhr Amely zu ihr herum. «Bärbel», begann sie rasch, bevor der Mut, diese Frage zu stellen, sie verließ. «Weißt du, was auf mich zukommt?»
Bärbel errötete bis in die Haarspitzen. «Nee, ich hab doch noch nie …», flüsterte sie fast lautlos. «Aber meine Mutter hat mal gesagt, man muss nichts tun. Der Mann macht alles ganz allein.»
«Das dachte ich mir.» Amely kehrte ins Schlafzimmer zurück. Was sollte man als Frau auch dabei tun? Aber das war nicht ihre Frage gewesen. Was tat der Mann? Und wie fühlte es sich an? Ärger auf ihre Mutter wallte in ihr hoch, weil sie ihr nie etwas erklärt hatte. Aber so war es nun einmal; man sprach nicht darüber.
Unerbittlich tickte die Kaminuhr. Kilian hatte angekündigt, ihr eine Viertelstunde Vorsprung zu lassen. Amely begann sich ihres Hochzeitskleides zu entledigen. Bärbel half ihr, löste die Schnüre des Korsetts und warf das Kleid über den Arm. «Nun denn», murmelte Bärbel betreten an der Tür. «Gute Nacht, Fräulein Amely. Wird schon gutgehen.»
Sowie Amely allein war, sprang die Furcht sie mit aller Macht an. Und was sie sich verboten hatte – mit ihrem Vater und dem Geschick zu hadern –, ließ sie zornig die Überdecke herunterfegen. Rasch wusch sie sich über den Marmorbecken. Dann schlüpfte sie in ihr Nachthemd, kroch unter das Deckbett, das dank seines Seidenüberzugs angenehm kühl war, starrte zur Uhr und wälzte sich hin und her.
Als er klopfte, durchflutete sie Erleichterung. Gleich würde sie es wissen. Gleich würde es vorbei sein.
Auf dem Weg ins Bad schenkte er ihr ein Lächeln, das wohl aufmunternd wirken sollte. Sie fand es nur abstoßend.
Im Pyjama kehrte er zurück. «Gefällt dir das Zimmer?»
Sie versuchte zu antworten, aber die Angst verschnürte ihr die Kehle. Wollte er allen Ernstes die
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