Die Bucht des grünen Mondes
hätte über ihn hinwegfegen können, und er hätte nichts gemerkt.
Pedro rülpste, Gin rann ihm durch den verfilzten Bart. «Das Feuer … da ist bestimmt alles weg. Alles weg. Du musst den Aufseher fragen. Jorge. Er hieß doch so, oder? Gott, hab ihn schon lange nicht mehr gesehen. Bestimmt zwei Wochen.»
«Gut. Danke. Pedro, ich muss weiter …»
Zitternd ließ der Seringuero die Flasche sinken. «Felipe, nein, nein … nimm mich mit.»
«Was?»
«Ja! Ich mach’s wie du, ich mache mein Glück in der Stadt. Allein komme ich da doch nicht hin.»
Der Gedanke behagte Felipe nicht. Pedro war nicht der Mensch, dem gelang, was er sich vornahm. Er war einer, der sogar beim Stolpern über die eigenen Füße für Schwierigkeiten sorgte. Und ob er jetzt hier verreckte oder ein wenig später im Rinnstein einer Straße? Verdammt. Verdammt! Felipe hätte es ahnen müssen. Er hätte ahnen müssen, dass er es nicht konnte – sich umdrehen und fortgehen. Damals in Belém hatte Pedro sich seiner angenommen, weil er, Felipe, der Sohn von Dieben, nur zum Stehlen taugte. Gut, ihm verdankte Felipe auch, überhaupt in die Mühle des Kautschuksammelns geraten zu sein. Aber einem hoffnungslosen Menschen konnte man das nicht zum Vorwurf machen.
«Mitnehmen musst du mich eh», plapperte Pedro mit Feuereifer drauflos. Plötzlich war ein Leuchten in diesen blutunterlaufenen Augen. «Die Sammelstelle ist nämlich längst woanders. Ohne mich findest du den Aufseher nie.»
«Er wird dich verprügeln, wenn du ohne Ausbeute kommst.»
«Nicht, wenn du dabei bist. Komm schon, alter Freund! Ich mach dir keinen Kummer, versprochen.»
«Also gut, aber …»
Pedro sprang auf, kaum dass es gesagt war. Er war wohl einige Zeit nicht mehr auf den Füßen gewesen, denn sein Gesicht verlor Farbe, und er schwankte. Insgeheim hoffte Felipe, dass er zurück auf die Hängematte sackte und weiterschlief. Stattdessen fiel er ihm in den Arm.
«Ich bin bereit.» Pedro strahlte. «Nur schnell meine Sachen zusammen …»
Felipe starrte auf die Finger, von denen er keinesfalls wissen wollte, was sich unter den Nägeln befand. «Nein! Du lässt alles liegen! Und wage ja nicht, mir zu nahe zu kommen; ich kann gut darauf verzichten, dass dein Ungeziefer auf mich überspringt. Ich zieh dich mitsamt Kleidern sowieso bei nächster Gelegenheit mit dem Boot durch den Fluss.»
Er riss sich los und machte kehrt. Hinter ihm stapfte Pedro durchs Unterholz und beklagte sich leise darüber, dass es doch gefährlich sei, im Fluss zu baden. Schließlich war der Candira, ein winziger Fisch, der sich durch den After bohrte, so gefährlich wie die größte Anakonda.
«Dann kneifst du halt den Arsch zusammen», knurrte Felipe.
Wahrscheinlich war es Irrsinn, sich Pedro anzuvertrauen. Je weiter sie kamen, desto mehr wuchs Felipes Befürchtung, dass sie sich im Labyrinth der Wasserläufe verirrten. Es wimmelte von dahintreibenden Baumstämmen. An den Ufern senkten sich knarrend Bäume, die noch schwer am letzten Regenguss trugen. Blattwerk rauschte, als es hindurchbrach und in den Igarapé fiel. In Felipes Augen tropfte der Schweiß; er wagte nicht, ihn wegzublinzeln. Man sah die Stämme erst kurz vor dem Bug. Er lauschte dem Knattern der Maschine und umklammerte das Steuerrad. Ein paar Stunden konnte er das durchhalten. Manchmal verhakte sich eine Liane im Schaufelrad, das sich glücklicherweise stets selbst befreite. Pedro hielt nach Krokodilen und Alligatoren Ausschau. So war er zwar nicht nützlich, denn solch große Boote wurden nicht angegriffen. Aber er war aus den Füßen.
Ein kurzer Guss ging auf sie hernieder. Eine Schlange fiel von einem allzu nahen Ast. Ein Eisvogel stieß ins Wasser, holte sich einen Fisch. Brüllend stampften Queixadas durchs Unterholz.
«Wenn sich die Wildschweine so aufführen, gibt es Gewitter.» Pedro legte den Kopf in den Nacken.
«Das gibt’s auch von mir, wenn wir nicht bald am Ziel sind.»
«Was denn, was denn! Wir sind auf Kurs.» Aus der ausgebeulten Hosentasche fischte er eine Ginflasche. Da er nüchtern vermutlich erst recht nicht ans Ziel fand, hatte Felipe ihn nicht gehindert, den Vorrat aufzubrauchen. Und tatsächlich, plötzlich riss er triumphierend die Flasche hoch. «Dort vorne, ich seh das Haus! Wir sind da!»
Dann schien ihm einzufallen, dass er beim Aufseher nicht wohlgelitten war, denn auf den letzten Metern kauerte er sich hinter die Bordwand.
Für einen Seringuero, der immer fürchten musste, dass sein
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