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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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wirklich gut. Até logo!»
     
    Nach dem anstrengenden Abend inmitten von Anzugträgern und einer Nacht, die seines benebelten Kopfes wegen als misslungen zu bezeichnen war, sehnte sich Felipe nach seiner Hängematte. Nur eine Stunde Schlaf. Er trat in den Schatten des Verandadaches. Nebenan schimpften und kreischten wie üblich die Nachbarn, und von der anderen Seite kam der Gestank ausgekochter Wäsche.
Was soll’s
. Er warf seine Anzugjacke beiseite und sich selbst in die Hängematte. Den Schlapphut schob er sich ins Gesicht. Zu seiner Zeit als Seringuero war es nicht einfacher gewesen, Schlaf zu finden. Der Dschungel war auf seine Weise laut, und beständig musste man auf der Hut sein, dass man nicht die Kehle durchgeschnitten bekam, weil ein ebenso armseliger Seringuero sich genötigt sah, in ein fremdes Sammelrevier einzudringen. Kaum hatte Felipe die Augen geschlossen, kam ihm Amalie Wittstock in den Sinn und wie er ihr von dem harten Leben der Kautschuksammler erzählt hatte. Wie beeindruckt sie gewesen war. Warum hatte er sie zum Hafen mitgenommen? So recht wusste er es selbst nicht. Weil er sie zu schwach für diese Welt hielt. Weil er sehen wollte,
wie
schwach sie war. Weil er sie …
    Er sollte es besser lassen, über die Frau seines Arbeitgebers nachzudenken.
    Aber sie vor dem inneren Auge tanzen zu lassen, während sie auf ihrer Geige spielte, das konnte ja nicht schaden. Er ließ sie sich wiegen, ihre Lippen sich öffnen. Ihre Haare hingen, anders als gestern tatsächlich, offen und verschwitzt um ihre Schultern, und ein Schweißrinnsal sickerte zwischen ihre von dem Korsett angehobenen Brüste …
    «Senhor da Silva?»
    He, verschwinde! Nicht jetzt!
    «Senhor da Silva!»
    «Ich bring dich um, Mistkäfer.» Er lüpfte den Hut gerade so weit, dass er Miguel die Verandatreppe heraufspringen sah. «Was ist?»
    Der Junge stützte die Hände auf die Knie und schnaufte; anscheinend war er die ganze Strecke von Wittstocks Anwesen gerannt. «Senhor – Oliveira – schickt mich. Schlechte – Neuigkeiten.»
    Sofort war Felipe auf den Beinen. Das war der Nachteil, abgelegen in einer von Manaus’ Favelas ein Haus zu haben. Er könnte auf dem Besitz Wittstocks wesentlich angenehmer leben, wie es ja auch Doutor Barbosa tat, um jederzeit zur Stelle zu sein, doch dauerhaft in der feinen Welt des Kautschukbarons zu leben, dazu war er nicht gemacht.
    «Sag, Mistkäfer», sagte er, während er seinen Campolina aus dem Stallverschlag holte, wo er ihn eben erst abgesattelt hatte. «Wie fandest du das Spiel Senhora Wittstocks gestern?»
    «Das Spiel?»
    Er gab ihm eine Kopfnuss. «Die Geige, Dummkopf!»
    Miguel rieb sich die Stirn. «Ach so. Weiß nicht. In ihrem weißen Kleid sah sie aus wie ein Engel.»
    Man musste ein Kind sein, um etwas so Abgedroschenes zu sagen.
Aber ja
, dachte Felipe.
Wie ein Engel
.
    Mit dem Mistkäfer hinter sich ritt Felipe zur
Casa no sol
zurück. Dort fand er seinen Herrn im Bureau Oliveiras. Der stand hinter dem Schreibtisch, an dem Kilian Wittstock sich niedergelassen hatte und über einer hingekritzelten Nachricht brütete. «Ah, Senhor da Silva», Tomás dos Santos Oliveira kam um den Tisch herumgeschritten und streckte die rechte Hand vor, wie üblich vorsichtig, als sei Felipe ein ungewaschener Hafenarbeiter.
Den Seringuerogeruch wird man halt nicht los. Und Oliveira hat eine feine Nase
.
    «Was ist passiert?», fragte Felipe leise.
    «Der Kyhyje-Wald ist niedergebrannt.»
    «Vollständig?»
    «Das wissen wir nicht.»
    Einige hundert Kautschuksammler waren in diesem riesigen Gebiet beschäftigt. Sollte es sie nicht erwischt haben, würden sie dennoch eines elenden Todes sterben, da sie nichts erwirtschaften konnten. Felipe verzichtete, Oliveira darauf hinzuweisen. Es war nicht weiter von Interesse, und ändern konnte man es ohnehin nicht. Vielleicht war es besser so. Alles war besser, als dieses elende Leben zu führen.
    «Ich verstehe das nicht!» Wittstock schlug die Hand auf den Schreibtisch, dass Oliveira zusammenzuckte. Der Deutsche grub die Finger in sein blondes Haar und wühlte es auf. «Ich verstehe es nicht», heulte er.
    «Senhor Wittstock …», begann Oliveira, doch Felipe ahnte, dass man mit behutsamen Worten jetzt nichts ausrichten konnte. Wittstock sprang auf. Sein Gesicht war rot angelaufen. Wie ein Boxer wirkte er, der nach mehreren Schlägen taumelte und wankte. Mit einer Pranke wischte er vom Tisch, was sich darauf befand. Papiere flogen, Stifte klapperten

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