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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Bretterverschlag über ihm zusammenbrach, musste diese Hütte ein Haus darstellen. Es gab nur einen schmalen Eingang, der auf die schwimmende Plattform führte. Der Motorenlärm hatte den Aufseher bereits herausgelockt. Felipe kannte ihn nicht. Das war gut so, denn es war kaum glaubwürdig, dass ein ehemaliger Seringuero im Auftrag des Kautschukbarons zurückkehrte, trotz des Papiers, das er mit sich führte. Er band sein Boot neben dem des Aufsehers fest und sprang auf die federnden Holzbohlen.
    «Ich komme im Auftrag Senhor Wittstocks», er zog das Papier aus der Hemdtasche und entfernte die Kautschukumhüllung. «Er will wissen, wie es aussieht mit den Beständen.»
    Der Mann, der mit zerschlissenem Jutehemd kaum weniger abgerissen als Pedro aussah, drehte es hin und her. Er nickte. «Ich kann nicht lesen, aber ich glaub’s mal. Sofern du mit Gin jetzt nicht geizig bist. Oder was sagst du, Pedro?»
    Langsam kam Pedro hinter der Bordwand zum Vorschein. «Es stimmt, Senhor Jorge.»
    Felipe holte drei Flaschen und folgte dem Aufseher in die Hütte. Hier gab es außer der obligatorischen Hängematte immerhin einen Tisch und eine Bank, deren Füße in wassergefüllten Eimern steckten, um lästige Ameisen abzuhalten. Sie setzten sich; Jorge stellte zwei Gläser auf den Tisch. «Du darfst dich auf den Boden hocken», sagte er zu Pedro. «Zu saufen kriegst du vielleicht wieder, wenn du mal wieder eine Péla ablieferst.»
    «Was kann ich dafür, wenn alles verbrannt ist?», rief Pedro.
    «Du warst vorher schon faul.»
    Die Pélas wurden gewöhnlich an einer Wand der Sammelhütte gestapelt – hier lagerten nur drei, und die waren erbärmlich klein geraten. Sie waren in Palmblätter eingewickelt und mit Lianen verschnürt. Auch das gehörte zur Arbeit eines Seringueros: die zu braunen Gummibrocken getrocknete Kautschukausbeute in Kesseln zu räuchern, bis sie wieder geschmeidig wurde und mit einer Stange zu einer Kugel, der Péla, gedreht werden konnte.
    Felipe hatte es so oft getan. In völlig erschöpftem Zustand, dass er irgendwann nicht mehr wahrgenommen hatte, wie ihm die Spritzer die Haut verbrannten und der Gestank die Nase ätzte. Im Wäldchen hinter Wittstocks pittoresker
Hütte
störte ihn der Geruch des Kautschuks nicht. Hier jedoch fühlte er sich zurück in tiefste Tiefen seiner Seele gestoßen. Er nahm einen großen Schluck aus der Ginflasche.
    «… die verfluchten Indianer.»
    «Was?» Felipe rieb sich die Stirn.
    «Ich sagte, es waren die verfluchten Indianer, die haben den Wald angezündet. Um die Sammler zu verjagen.»
    «Das Gebiet ist nicht eben klein, darin verlieren sich ein paar hundert Sammler», brummte Felipe. «Wäre eine Vernichtung des gesamten Waldes nicht eine etwas übertriebene Maßnahme?»
    Pedro kicherte. Zuckte aber zusammen, als ein Donnerschlag ertönte. Draußen schien von einem Augenblick auf den anderen ein Himmel aus Wasser auf die Erde niederzugehen.
    «Ich hab so einiges gehört von den Caboclos», Jorge trommelte mit den Fingern gegen sein Glas; es ging unter im Getöse des Regens. «Ja, ein paar gibt’s auch hier. Sie erzählen von Indios, die irgendwo hinter dem Kyhyje-Wald leben. Sie nennen sich Aka-yvypóra – die Schädelleute. Ein grausamer Stamm, der jeden abschlachtet und ihm dann den Kopf abtrennt. Sie stapeln die Schädel zu riesigen Wänden auf.»
    «Hat jemand gesehen, dass sie den Brand legten?»
    «Ja!» Jorge hämmerte mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser wackelten. «Mehrere Männer berichteten davon. Nachtschwarze Gestalten seien es gewesen, mit dämonischen Bemalungen. Weiß der Teufel, was in den Köpfen dieser Menschen vorgeht, das versteht unsereiner doch gar nicht. Sind es denn Menschen?»
    Eine Frage, die Wittstock sich auch stellte, seit er seinen Sohn verloren hatte.
Den, den er nie hatte
, verbesserte sich Felipe.
    Waren es Menschen?
    «Ich wart nur darauf, dass sie auch hier auftauchen», murmelte Jorge und ließ einen bedeutungsschweren Blick über die Sammlung von Macheten und – dank des Klimas unzuverlässiger – Flinten an der Wand schweifen.
    «Also gut.» Es drängte Felipe, von hier fortzukommen, und das lag nicht an der indianischen Gefahr. Das elende Unwetter würde er noch abwarten. «Ich werde veranlassen, dass man ihnen das Handwerk legt.»
    Er wusste, worauf das hinauslief. Aber er wusste auch, dass es genau das war, was Kilian Wittstock wollte.

7. Kapitel
    Die Hochzeitsreise war, wie konnte es anders sein, eine

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