Die Bucht des grünen Mondes
wie wäre das?»
Das Band war die Belohnung für ihre Schwangerschaft. Vielleicht auch seine Bestechung, dass sie Ruhe geben solle, was seine Söhne betraf. Vielleicht fühlte er sich auch schuldig, weil er sie erschreckt hatte. Tausend Gründe konnte es geben oder gar keinen. Mal war er aufbrausend, dann dröhnte er vor Lachen; dann wieder war die Trauer um Gero tief in seine Gesichtszüge eingegraben. Das war das eigentlich Beunruhigende an ihm: dass er so schwer zu fassen war.
Sie sah Consuela aus dem Haus treten, einen gewaltigen Blumenkorb auf dem mit einer Trauerbinde geschmückten Arm. Ausgreifend schritt das Hausmädchen über die Kieswege. Die abgelegene Grabecke war offenbar ihr Ziel. Amely folgte ihr – sie mochte die Stelle nah am Igarapé do Tarumã-Açú, der hinaus auf den Rio Negro führte, denn hierhin verirrte sich selten jemand. Schon gar nicht Kilian.
Bei jedem Schritt musste sie den Bauch einziehen. Die Schmerzen hatten an jenem Tag eingesetzt, als sie im Bad ausgeglitten war.
Consuela schlug sich in die Büsche, wo die anderen beiden Gräber verborgen waren. Mit halbgeleertem Korb und leicht derangiert kam sie wieder hervor. «Dona Amely? Ist Ihnen nicht gut? Sie sehen blass aus.»
«Nein, nein», winkte Amely ab. «Es geht mir gut. Ich vertrete mir nur die Beine. Und mir ist … nun ja. Ein wenig langweilig. Ich könnte dir dabei helfen, die Blumen aufs Grab zu tun.»
Es waren fliederfarbene Orchideen. Amely raffte den steifen Taftrock, kniete sich hin und half, die zarten Pflanzen auf die feuchte Erde zu setzen und sie mit Ästchen zu stützen. Es war angenehm, sich zur Abwechslung einmal die Finger schmutzig zu machen. Sollte sie denn tagein, tagaus lesen, sticken, auf dem Fluss herumfahren, den Schneider oder die Hutmacherin empfangen und das Personal hin und her schicken?
«Consuela?», wagte sie dann die Frage. «Kam es vor, dass Kilian seine erste Frau schlug?»
«Hat er …?»
«Mich? O nein!» Fahrig lachte sie auf.
«Dona Madonna war immer ruhig. Sie wusste, wie man Herrn Wittstock nehmen muss.» Verlegen strich sich das Mädchen die stets offene Mähne hinter die Ohren. «Sie müssen das auch lernen.»
Amely seufzte. Das war irgendwie nicht die Antwort, die sie erhofft hatte. Aber was Consuela da gesagt hatte, war vielleicht die einzig richtige Antwort. Man durfte seinen Ehemann nicht hintergehen. Und dass es gelegentlich eine Ohrfeige setzte, war eigentlich etwas Selbstverständliches. Wie gut ging es ihr doch im Gegensatz zu Maria, die in ihrem früheren Dasein unbeschreibliche Gewalt über sich hatte ergehen lassen müssen. Gab es also einen Grund zum Klagen? Da war wieder dieses flüchtige Gefühl der Freude, wenn sie an ihren Vorsatz, Kilian zu mögen, dachte. Heute Abend wollte sie ihm etwas auf der Amati vorspielen, und dann … Ein Stich fuhr durch ihren Unterleib.
«Dona Amely!»
Vorgeneigt, eine Hand in der Erde, presste Amely die andere auf ihren Bauch. Sie wollte sagen, dass sie nur unpässlich war, doch als sie den Mund öffnete, kam ein gepresster Schrei heraus. Vor ihr fegte Consuela über das Beet, dass die Erde aufspritzte, und rannte den Weg entlang. «Senhor Oliveira! Socorro, socorro!»
Plötzlich war Herr Oliveira bei Amely und legte den Arm um sie. Gemeinsam mit dem Mädchen hob er sie auf die Füße. Beruhigend redete er auf sie ein, während Consuela die Finger wie zum Gebet verschränkt hatte und wild knetete.
Warm lief es an Amelys Schenkeln hinab. Sie verstand nichts von Empfängnis und Geburt, gar nichts, und doch wusste sie, dass sie soeben ihr Kind, das noch keines war, verlor. Eingehakt zwischen Herrn Oliveira und Consuela, schlurfte sie in Richtung des Hauses. Nass klebte das Beinkleid an ihrer Haut. Sie hielt den Kopf gesenkt. Ihr Rock verhinderte den Blick auf Blut, doch zweifellos hinterließ sie eine scheußliche Spur. Plötzlich stand einer der Gärtner vor ihr, ein großer Kerl, und hob sie auf seine erdverkrusteten Arme. Schamesröte stieg ihr ins Gesicht.
«Maria, lass mich doch damit in Ruhe», hörte sie Kilian poltern.
«Mann ist liederlich! Wäscht nicht, raucht in Stall, gefährlich!» Aus den Augenwinkeln sah Amely die Negerin mit den feisten Armen fuchteln.
«Sag’s da Silva, der hat diesen Kerl ja angeschleppt.»
«Trink viel, ganze Tag!»
«Maria!», donnerte er. «Geh mir nicht auf die Nerven!»
Er stand auf der Freitreppe, im feinen, wie meistens leicht zerknitterten Leinenanzug, den Jipijapa auf dem Kopf,
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