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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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vielen deines Volkes unterhalten. So komm doch herein. Du siehst erschöpft aus und wirst gegen ein wenig Stärkung nichts einzuwenden haben.»
    Für einen kurzen Moment schloss Aymáho erleichtert die Augen. Nicht alles, was der Fremde sagte, war ihm verständlich. Aber es tat gut, seine Sprache zu hören, wenngleich sie ein wenig anders klang.
    Nach allem, was er an diesem Ort gesehen und erlebt hatte, war es verwunderlich, auf einen gastfreundlichen Menschen zu stoßen. Er folgte ihm ins Haus, achtete jedoch auf jede Bewegung und jeden Schatten; seine Hand ruhte auf dem Blasrohr, das an seiner Seite baumelte. Was es wohl damit auf sich hatte, dass der Hinterkopf des Ambue’y ausrasiert war? Es gab Stämme, die das taten, aber ein
Anderer
? Der Mann führte Aymáho in einen großen Raum, in dem an langen Tischen jene saßen, die draußen gewartet hatten, Brei aus Schalen löffelten und duftendes Maniokbrot herunterschlangen. Plötzlich fühlte sich sein Magen ausgehöhlt an, seine Kehle verdorrt. Drei, vier Schwarzgekleidete waren damit beschäftigt, weitere Schalen und Körbe aufzutragen und die Becher mit Wasser zu füllen. Auch sie folgten der Sitte, die Hinterköpfe vom Haarwuchs zu befreien.
    Nicht alle, die hier aßen, als müssten sie morgen hungern, was sie wahrscheinlich auch taten, waren Ava. Manche besaßen eine Haut, die fast so schwarz war wie das Fell des Panthers. Alle sahen auf, verstummten für einen Augenblick, als er sich an einen Tisch setzte.
    «Was meintest du vorhin?», fragte der Kahlschädelige, als er vor Aymáho eine gefüllte Schale hinstellte.
    «Ich suche den Mann, der Wittstock heißt.»
    Er setzte sich ihm gegenüber. «Ich fürchte, ich habe nie von ihm gehört.»
    «Aber das musst du. Er herrscht über deine Stadt.»
    «Das glaubst du? Aber iss doch. Und währenddessen unterhalten wir uns, ja? Willst du nicht Bogen und Köcher ablegen? Und das Blasrohr? Du brauchst keine Waffen.»
    «Nein.» Ungeduldig stieß Aymáho den Löffel in das Mus. Nach allem, was er bisher gesehen hatte, erwartete er unwillkürlich etwas Besonderes, doch der fremde Geschmack sagte ihm nicht zu. Der Mann eilte sich, von einem Brotlaib ein großes Stück abzubrechen und ihm zu geben. Aymáho aß rasch. Wer mochte wissen, ob er nicht sogleich flüchten oder kämpfen musste? Sein Blick fiel auf einen sinnlos wirkenden Gegenstand an der gegenüberliegenden Wand, der den ganzen Raum zu beherrschen schien. Der Kahlschädelige blickte über die Schulter.
    «Das ist das Kreuz unseres Erlösers Jesus Christus. Er ist auch dein Erlöser. Er ist für deine Sünden gestorben. Du musst es nur glauben.»
    «Es ähnelt dem Zeichen der Götterschlange.»
    «Ich weiß», er lächelte nachsichtig. «Das Stirnkreuz der Boa constrictor. Viele Avas haben ihre heidnischen Schlangenamulette abgelegt. Tu auch du das und gewinne das ewige Leben!»
    Aymáho runzelte die Stirn. «Eigentlich will ich von dir nur wissen, wo ich Wittstock finde.»
    «Wie ich schon sagte, ich kenne ihn nicht. Aber ich sehe, dass du Groll gegen ihn hegst. Habe ich recht?»
    «Ja.»
    «Gott spricht: Lass die Sonne nicht über deinem Zorn untergehen.» Der Mann reckte sich über den Tisch und legte die Hand auf Aymáhos Arm. «Willst du deinem Zorn nicht entsagen? Was immer er getan hat, verzeihe ihm, und du wirst Frieden finden.»
    Aymáho schüttelte ihn ab. «Ihm verzeihen? Er hat unzählige Ava auf dem Gewissen! Was verlangst du da?»
    «Etwas, das unmöglich scheint, ich weiß. Aber für Gott ist nichts unmöglich. Überlass die Vergeltung ihm. Vertraue ihm, glaube, dass er groß genug ist, dich zu entschädigen.»
    «Aber ich kenne doch deinen Gott gar nicht.»
    «Er kennt dich.»
    Aymáho grub die Finger in den Brotkanten, riss ihn entzwei und schob sich einen Brocken in den Mund. «Ich verzeihe dem Schlächter meines Volkes nicht. Welch ein törichter Gedanke! Wenn du ihn nicht kennst – sage mir, wo ich einen finden kann, der mir weiterhilft.»
    «Nein, mein Freund. Ich kann dich auf deinem Weg des Hasses, den du da eingeschlagen hast, nicht begleiten.»
    Zeitverschwendung! Aymáho sprang so heftig auf, dass der Tisch ins Wanken geriet. Er gab ihm einen Tritt, dass die Kante auf den Schoß seines Gegenübers fiel. Geschirr polterte zu Boden. Der Mann quiekte erschrocken. Aymáho packte ihn am Ausschnitt seines schwarzen Gewandes und zerrte ihn auf die Füße. «Dein Friedensgott passt zu den hiesigen Ava, die sich arglos zum Schlachtplatz

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