Die Bucht des grünen Mondes
Bastvorhang, der den Hütteneingang verhüllte, und kehrte mit einem Ästchen zurück.
Ein Klumpen aus gebackenem Maniokmehl steckte darauf. Ruben kauerte vor ihr nieder und hielt ihr das warme Brot an die Lippen. Es sah trocken und angesengt aus.
«Ruben! Ich kann doch hier nicht ewig sitzen und von dir gefüttert werden!»
«Ich weiß nicht, ob du … kann nicht …», er kämpfte um das richtige Wort. «Vertrauen.»
Seufzend schlug sie die Zähne in das Stockbrot. Überrascht schmeckte sie eingebackene Früchte – zweifellos das Beste, was sie ihrem Gefühl nach seit Jahren gegessen hatte. Nachdem Ruben ihr eine Kalebasse mit sauberem Wasser an den Mund gesetzt hatte, fühlte sie sich besser. «Danke», sagte sie eine Spur freundlicher. «Und nun, wie soll ich mich waschen? Ich habe das Gefühl, in einem Mantel aus Dreck zu stecken.»
Erneut ging er nach draußen und kehrte mit Tiacca zurück. Die trug eine Schale unter dem Arm. Ihr breites Lächeln, als sie vor Amely kniete, war durchaus nicht freundlich. Sie tränkte einen bräunlichen Klumpen in der Schale und wischte damit grob über Amelys Hals. Aufschreiend trat Amely nach ihr. Tiacca holte zu einer Ohrfeige aus, besann sich dann aber anscheinend Rubens Anweisung, Amely nicht anzurühren – und klatschte ihr den nassen Schwamm ins Gesicht.
Wortgeprassel ging auf Amely nieder. Die Indianerin stapfte hinaus. Draußen rief jemand; Ruben erhob sich und verließ die Hütte. Auch dort gab es ein kurzes Wortgefecht – diese Leute waren noch lebhafter als die Brasilianer! Doch als er zurückkehrte, war er ruhig wie zuvor. «Kazike ist zornig, weil du hier bist. Du bist Ambue’y, Frau, die Leid bringen kann.»
«Leid?»
«Tod-Geist. Krank-Geist. Ich sagte, wenn du hast Krank-Geist, wir schon tot. Kazike ist weise, aber zu … vorsichtig.» Selbstgefällig lachte er auf. «Er denkt, ich gehe mit Kopf durch Wand.»
Auch Amely lächelte. Ob er sich bewusst war, dass er eine Redewendung seiner Muttersprache gebrauchte?
Endlich band er sie los. Am Ellbogen führte er sie über den Dorfplatz. Sie wusste nicht, ob sie sich neugierig umschauen durfte oder besser den Blicken auswich. Die allesamt mit nichts als kleinen Schurzen bekleideten Frauen kauerten um Feuerstellen versammelt auf den Fersen und waren damit beschäftigt, Essen zuzubereiten. Und wie wohl überall auf der Welt saßen die Männer ebenfalls beieinander, taten aber nichts, als zu schwätzen und zu rauchen. Sie alle waren tätowiert, teils an den heikelsten Stellen. Eine Frau hackte auf die Glieder einer Schildkröte ein, stemmte die Messerspitze in den Panzer und hebelte ihn auf. Hastig riss Amely den Blick von der blutigen Arbeit. Ein winziges Krokodil, ihm klebten noch die Eierschalen am Rücken, huschte über ihre Füße. Sie schrie auf. Ein Kind grabschte nach dem Tier und glotzte, voller Unverständnis über ihre Reaktion.
Ruben führte sie durch eine kleine Maniokanpflanzung, dann über felsige Stufen hin zu einem Quellbecken. Hier ließ er sie los.
«Wasch dich.»
«Vor den Mädchen? Bestimmt nicht!»
Völlig nackt standen und saßen fünf junge Frauen in dem kleinen See. Sie hatten ihr Geplapper unterbrochen und sahen verblüfft zu, wie Ruben Amely ins Wasser schob. Steif stand sie auf glitschigem Untergrund. Mit einem barschen Befehl schickte er die Mädchen fort. Doch er selbst dachte nicht daran zu gehen; er hockte sich auf einen Stein im See, griff nach den Blüten, welche die Mädchen zurückgelassen hatten, und zerrieb sie zwischen den Fingern. Mit seifigem Schaum rieb er sich die untere Gesichtshälfte ein, die er während der Reise eher nachlässig rasiert hatte – mit Grashalmen.
«Ruben, ich kann das nicht, wenn mich jeder sehen kann.»
«Wasch dich.»
Er schaffte es tatsächlich, mit den Halmen sein Gesicht so fein zu rasieren, als nutze er ein scharfes Messer. Amely zögerte lange. Schließlich nahm sie ein paar Blüten, hockte sich ins Wasser und griff sich unters Nachthemd. Goldene Wasserhähne, duftende Haby-Seife, weiche Handtücher! Das alles hatte sie gar nicht zu schätzen gewusst. Julius kam ihr in den Sinn. Sie malte sich aus, er presche durchs Gebüsch mit einer Flinte und hole sie nach Hause.
Du hast ja gar kein richtiges Zuhause, seit Papa dich wegschickte. Also reiß dich zusammen und wasch dich
.
«Ich brauche etwas zum Anziehen», sagte sie zu Ruben, als sie wieder stand. «Bei meinem Nachthemd kann ich ja überall die Finger durch die Nähte
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