Die Buecher und das Paradies
Verfügung stehen und die ihr ein Hauptvergnügen darin findet, eure Ehefrauen wechselseitig zu verführen. Wir wollten das Vaterland zerstören? Wie das, man kann den Arbeitern doch nicht nehmen, was sie gar nicht haben. Wir wollen im Gegenteil, daß sie sich triumphierend zur nationalen Klasse erheben und damit selbst als Nation konstituieren ...
Und so weiter, bis hin zu jenem Meisterstück an Zurückhaltung, das die Antwort auf die Religionsfrage darstellt. Man ahnt, daß sie lautet: »Wir wollen diese Religion zerstören«, aber so steht es nicht im Text. Er nähert sich dem delikaten Thema auf Umwegen mit allgemeinen Bemerkungen, gibt zu verstehen, daß jede Veränderung ihren Preis hat, winkt dann aber ab, als wollte er sagen: Heben wir uns doch so heiße Kapitel lieber für später auf.
Danach folgt der eher theoretische Teil, das Programm der Bewegung und die Kritik der verschiedenen Sozialismen, aber inzwischen ist der Leser bereits durch die vorangegangenen Seiten verführt. Und sollte der programmatische Teil dann zu schwierig werden - hier noch ein doppelter Paukenschlag am Ende, zwei Parolen, die einem den Atem rauben, eingängig, leicht zu behalten und - so will mir scheinen - wie geschaffen für eine rauschende Zukunft: »Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten« und »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!«
Abgesehen von der gewiß poetischen Fähigkeit, denkwürdige Metaphern zu erfinden, bleibt das Kommunistische Manifest ein Meisterwerk politischer (und nicht nur politischer) Rhetorik und sollte in der Schule zusammen mit Ciceros Catilinarischen Reden und Shakespeares Rede des Marcus Antonius über der Leiche Caesars studiert werden. Auch weil es angesichts von Marxens guter klassischer Bildung nicht auszuschließen ist, daß ihm genau diese Texte vorschwebten.
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Die Nebel des Valois'
Ich habe Sylvie als Zwanzigjähriger fast per Zufall entdeckt und die Erzählung gelesen, ohne viel von Nerval zu wissen. Ich habe sie im Zustand absoluter Unschuld gelesen und war hingerissen. Später entdeckte ich, daß Proust die gleichen Eindrücke wie ich gehabt hatte. Ich weiß nicht mehr, wie ich sie damals in meinem privaten Wortschatz ausgedrückt habe, denn heute kann ich sie nur mit den Worten Prousts wiedergeben, so wie er sie auf den Seiten schildert, die er Nerval in seinem Contre Sainte-Beuve gewidmet hat.
Sylvie sei keineswegs, schreibt er dort, wie Barres (und mit ihm eine gewisse reaktionäre Kritik) meinte, eine neoklassizistische, typisch französische Idylle; es drücke sich darin keine Heimatverwurzelung aus (allenfalls finde sich der Protagonist am Ende entwurzelt). In Sylvie gehe
1 Gekürzte und überarbeitete Fassung des Nachworts zu meiner Übersetzung von Gérard de Nervals Sylvie (Turin, Einaudi, 1999). Wie bereits in meinen Harvard-Vorlesungen Im Wald der Fiktionen: Sechs Streifzüge durch die Literatur (Hanser 1994) berichtet, hatte ich über diese Erzählung zuerst einen kleinen Aufsatz geschrieben, dann in den siebziger Jahren eine Reihe von Seminaren an der Universität Bologna veranstaltet, aus der drei Doktorarbeiten und eine Sondernummer der Zeitschrift Versus (31 - 32/1982) hervorgegangen sind, und 1984 einen Fortgeschrittenenkurs an der Columbia University gehalten. 1993 habe ich sie in meinen Harvard-Vorlesungen behandelt, anschließend noch einmal in zwei weiteren Kursen, 1995 an der Universität Bologna und 1996 an der École Normale Supérieure in Paris. Ergebnis dieser fast lebenslangen Beschäftigung mit Sylvie war dann 1999 meine Übersetzung ins Italienische.
es um etwas Unbestimmtes - ein »Bild von irrealer Farbe« -, das wir manchmal im Traum sehen und dessen Konturen wir festhalten möchten, aber das uns beim Aufwachen unweigerlich entgleitet. Sylvie sei der »Traum eines Traumes«, und das Traumartige sei so dominant, »daß man immer wieder zurückblättern muß, um festzustellen, wo man sich befindet .« Die Farben von Sylvie seien nicht die eines klassischen Pastells; es sei vielmehr »eine Purpurfarbe, die einer Purpurrose aus purpurnem oder violettem Samt, das Gegenteil der Aquarelltöne des gemäßigten Frankreichs«. Sylvie sei kein Muster an abgewogener Anmut, sondern ein Muster an krankhafter Besessenheit. Die Atmosphäre von Sylvie sei »bläulich und purpurfarben«, aber diese Atmosphäre liege nicht in den Worten, sondern zwischen den Worten, »wie der Nebel eines Morgens in Chantilly«. 3
Vielleicht hatte ich es mit
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