Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
heidnischer wie christlicher Abkunft hegt, und daher ersuchen wir Euch, um der Liebe Christi willen und zur Stärkung Seines Königreichs, unserem Bruder Jerôme, einem jungen Mönch von höchster Gelehrsamkeit, Einsicht in Eure Archive zu gewähren.» Dagegen war grundsätzlich nichts einzuwenden, denn der Graf von Berat besaß in der Tat eine Bibliothek und eine Sammlung von Manuskripten, die vermutlich die größte in der Gascogne, wenn nicht gar im ganzen südlichen Abendland war, doch der Brief erklärte nicht, weshalb der Kardinalerzbischof sich so für die Archive der Burg interessierte. Und die Anspielung auf die heidnischen Schriften war eindeutig eine Drohung. Wenn Ihr Euch meinem Wunsch widersetzt, sagte der Kardinalerzbischof damit, werde ich die heiligen Spürhunde der Dominikaner und Inquisitoren auf Euer Lehen ansetzen, und sie werden feststellen, dass die heidnischen Schriften zur Ketzerei anstiften. Dann würden die Verhöre und Verbrennungen beginnen, und obgleich der Graf davon nicht persönlich betroffen wäre, würde er sich Ablässe erkaufen müssen, um seine Seele vor der Verdammnis zu bewahren. Die Geldgier der Kirche war unersättlich, und jeder wusste, dass der Graf von Berat reich war. Der Graf hatte also großes Interesse daran, den Kardinalerzbischof nicht gegen sich aufzubringen, aber dennoch wollte er wissen, weshalb Seine Eminenz sich auf einmal für Berat interessierte.
Aus diesem Grund hatte der Graf Vater Roubert, den Prior der Dominikaner von Berat, in den großen Saal der Burg bestellt, der schon lange nicht mehr für Festmahle genutzt wurde, sondern mit endlosen Regalen ausgestattet war, in denen alte Dokumente und kostbare, in geöltes Leder eingeschlagene Manuskripte lagerten.
Vater Roubert war erst zweiunddreißig Jahre alt und der Sohn eines Gerbers, und er verdankte seinen Aufstieg in der Kirche der Protektion des Grafen. Er war sehr groß und sehr ernst, und sein schwarzes Haar war so kurz geschnitten, dass es den Grafen an die harten Bürsten erinnerte, mit denen die Waffenschmiede die Rüstungen polierten. Trotz des schönen Morgens war Vater Roubert verärgert. «Ich habe morgen etwas in Castillon d’Arbizon zu erledigen», sagte er, «und ich muss in spätestens einer Stunde aufbrechen, wenn ich die Stadt noch bei Tageslicht erreichen will.»
Der Graf ignorierte Vater Rouberts unhöflichen Ton. Der Dominikaner behandelte den Grafen gern wie seinesgleichen, eine Unverschämtheit, die der Graf hinnahm, weil sie ihn amüsierte. «Ihr habt etwas in Castillon d’Arbizon zu erledigen?», fragte er, dann erinnerte er sich. «Ach ja, natürlich. Die Verbrennung der Begine, nicht wahr?»
«Ganz recht.»
«Sie wird auch ohne Euch brennen, Vater», sagte der Graf. «Und der Teufel wird ihre Seele holen, ob Ihr dort seid, um zu frohlocken, oder nicht.» Er musterte den Dominikaner forschend. «Oder bereitet es Euch eine besondere Freude, Frauen brennen zu sehen?»
«Es ist meine Pflicht», erwiderte Vater Roubert steif.
«Ach ja, Eure Pflicht. Natürlich. Eure Pflicht.» Stirnrunzelnd blickte der Graf auf das Schachbrett vor ihm auf dem Tisch und überlegte, ob er einen Bauern vorsetzen oder einen Läufer zurückziehen sollte. Er war ein kleiner, korpulenter Mann mit rundem Gesicht und kurzgeschorenem Bart. Er trug fast immer eine wollene Haube auf seinem kahlen Kopf, und selbst im Sommer sah man ihn selten ohne einen pelzgefütterten Mantel. Seine Finger wiesen stets Tintenflecken auf, sodass er eher wie ein penibler Schreiber aussah denn wie der Herr eines großen Lehens. «Aber Ihr seid mir verpflichtet, Roubert», wies er den Dominikaner zurecht. «Hier, lest.» Er gab dem Prior den Brief des Kardinalerzbischofs und beobachtete den Mönch, während dieser das lange Schreiben las. «Er schreibt ein kunstvolles Latein, nicht wahr?», sagte der Graf.
«Er hat einen Sekretär mit einer entsprechenden Ausbildung», entgegnete Vater Roubert knapp, dann musterte er eingehend das große Siegel, um sich zu vergewissern, dass der Brief echt war. «Es heißt», sagte der Dominikaner, nunmehr voller Respekt, «Kardinal Bessières gelte als möglicher Nachfolger des Heiligen Vaters.»
«Also sollte man ihn besser nicht brüskieren?»
«Man sollte überhaupt keinen Kirchenmann brüskieren», erwiderte Vater Roubert pikiert.
«Vor allem nicht einen, der möglicherweise Papst wird», schloss der Graf. «Aber was genau will er?»
Vater Roubert trat zu einem der Fenster aus
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