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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Seite des Heilands und der ausgestreckten linken Hand ihr Netz webte. «Du bestrafst uns», sagte er laut, «geißelst uns, aber wenn wir deinem Willen folgen, wirst du uns erretten.» Doch was war Gottes Wille? Das war die große Frage, und er wiegte sich auf seinen Knien vor und zurück, voller Sehnsucht nach einer Antwort. «Sag es mir», flehte er den Mann am Kreuz an, «sag mir, was ich tun soll.»
    Er wusste bereits, was seine Aufgabe war: Er musste den Gral an sich nehmen und dessen Macht freisetzen. Doch er hoffte, dass er in dem dämmrigen Innern der Kirche unter dem Bild von Gott auf seinem Himmelsthron eine Botschaft erhalten würde. Und die erhielt er tatsächlich, wenn auch nicht so, wie er erwartet hatte. Er hatte auf eine Stimme gehofft, die aus dem Dunkel zu ihm sprach, auf einen göttlichen Befehl, der ihm die Gewissheit des Erfolgs geben würde. Stattdessen hörte er Schritte hinter sich, und als er sich umdrehte, sah er, dass seine Männer zu ihm kamen, um mit ihm zu beten. Einer nach dem anderen knieten sie sich neben ihn, und da wusste Guy, dass solche guten Männer nicht geschlagen werden konnten. Die Zeit war gekommen, den Gral zu holen.
    Er schickte sechs von ihnen mit dem Befehl durch die Stadt, jeden Soldaten, Armbrustschützen und Ritter zu holen, der noch laufen konnte. «Sie sollen sich bewaffnen», sagte er, «und in einer Stunde treffen wir uns bei der Kanone.»
    Dann kehrte er in sein Quartier zurück, taub gegenüber den Schreien der Kranken und ihrer Angehörigen. Auch sein Diener war von der Seuche befallen, doch einer der Söhne des Hauses, in dem er seine Kammer hatte, war noch wohlauf, und so befahl er dem Jungen, ihm bei seinen Vorbereitungen zu helfen.
    Als Erstes legte er lederne Beinlinge und ein ledernes Wams an. Beide Kleidungsstücke waren eng auf den Körper geschneidert, sodass Vexille still stehen musste, während der Junge mit ungeschickten Fingern das Wams im Rücken schnürte. Das Leder wurde mit Schweinefett eingeschmiert, damit die Rüstung gut darauf rutschte. Vexille trug einen kurzen Kettenpanzer über der Weste, als zusätzlichen Schutz für Brust, Bauch und Leiste, und auch der musste eingefettet werden. Dann wurde Stück für Stück die schwarz lackierte Plattenrüstung angelegt. Als Erstes kamen die Diechlinge, die gewölbten Stahlpanzer, die die Oberschenkel schützten, dann die Beinröhren, die vom Knie bis zum Fußknöchel reichten. Darüber wurden die Kniebuckel geschnallt, und die Füße wurden durch Eisenschuhe geschützt, die mit den Beinröhren verbunden waren. Ein lederner Lendenschurz, an dem mehrere schwere Stahlplatten festgenietet waren, wurde um seinen Leib geschnürt, und Vexille hielt die Halsberge unter dem Kinn fest, während die beiden Schnallen im Nacken geschlossen wurden. Dann hob der Junge ächzend den Brust- und Rückenpanzer über den Kopf des Ritters. Die beiden schweren Stücke waren mit Lederriemen verbunden, die über den Schultern ruhten, und wurden an den Seiten mit weiteren Riemen zusammengebunden. Dann kamen die Oberarm- und die Unterarmröhren, die Achseln, die die Schulter schützten, und die Ellbogenkachel. Vexille bewegte ein paarmal die Arme, während der Junge die Rüstungsteile anlegte, um sich zu vergewissern, dass die Riemen nicht zu eng geschnallt waren, was ihn beim Schwertkampf behindern würde. Die Handschuhe waren aus Leder und mit überlappenden Stahlplatten besetzt, die wie Schuppen aussahen. Zum Schluss kam der Schwertgurt mit der schweren schwarzen Scheide, in der die kostbare Kölner Klinge ruhte.
    Das Schwert war länger als der Arm eines Mannes, und die Klinge war überraschend schmal, was die Vermutung nahelegte, dass sie nicht viel aushielt, doch sie besaß einen starken Mittelgrat, der den langen Stahl aussteifte und ihn zu einer tödlichen Waffe machte. Die meisten Männer kämpften mit Hiebschwertern, die beim Aufprall auf die Rüstungen schnell stumpf wurden, doch Vexille war ein Meister der Stichwaffe. Die Kunst bestand darin, eine Lücke in der Rüstung zu finden und die Klinge hineinzustoßen. Das Heft war mit Walnussholz eingelegt, Knauf und Parierstange bestanden aus Stahl. Die Waffe trug keinerlei Verzierung, keine Vergoldung, keine Gravuren auf der Klinge, keine silbernen Intarsien. Es war einfach nur ein Werkzeug, eine Tötungswaffe, genau das Richtige für die heilige Pflicht dieses Tages.
    «Herr?» Nervös hielt der Junge Vexille den großen Turnierhelm mit den schmalen Sichtschlitzen

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