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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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euch einen Blick auf das Ende. Vielleicht um den Schlag zu mindern, vielleicht auch um mir selbst das Erzählen leichter zu machen. Wie auch immer, ich muss euch sagen, dass es in der Himmelstraße regnete, als für Liesel Meminger die Welt unterging.
    Der Himmel tropfte.
    Wie ein Wasserhahn, den sich ein Kind bemüht hatte zuzudrehen, es aber nicht ganz geschafft hatte. Die ersten Tropfen waren kühl. Ich fühlte sie auf meinen Händen, als ich vor Frau Lindners Eckladen stand.
    Über mir konnte ich sie hören.
    In dem trüben Himmel sah ich die blechernen Flugzeuge. Ich sah, wie sich ihre Bäuche öffneten und die Bomben gleichmütig herausfielen. Sie waren weit von ihrem eigentlichen Ziel entfernt, wie so oft.
    EINE TRAURIGE, HOFFNUNGSVOLLE ÜBERLEGUNG
    Niemand wollte die Himmelstraße bombardieren. Niemand würde eine Straße bombardieren wollen, die nach dem Himmel benannt ist, oder? Oder?
    Die Bomben regneten herab, und kurz darauf kochten die Wolken, und die kalten Regentropfen verwandelten sich in Asche. Wie Schneeflocken segelten sie hernieder.
    Die Himmelstraße wurde dem Erdboden gleichgemacht.
    Häuser wurden von einer Seite der Straße zur anderen geschoben. Das gerahmte Bild eines ernst blickenden Führers wurde auf den zerstörten Boden geschmettert. Und doch lächelte er, auf jene ernsthafte Weise. Er wusste etwas, was wir anderen nicht wussten. Und ich wusste etwas, was er nicht wusste. All das, während die Menschen schliefen.
    Rudi Steiner schlief. Mama und Papa schliefen. Frau Holzinger, Frau Lindner, Tommi Müller. Alle schliefen. Alle starben.
    Nur ein Mensch überlebte.
    Sie überlebte, weil sie im Keller saß und die Geschichte ihres eigenen Lebens las und sie auf Fehler überprüfte. Vor einiger Zeit hatte man diesen Raum als zu niedrig erklärt, aber in dieser Nacht, in der Nacht des 7. Oktober, reichte er aus. Die Hüllen der Zerstörung stürzten zusammen, und Stunden später, nachdem sich eine seltsame, ungepflegte Stille auf Molching niedergelassen hatte, konnten die Männer der LSE etwas hören. Ein Echo. Da unten, irgendwo, hämmerte ein Mädchen mit einem Bleistift gegen eine Farbdose.
    Alle hielten inne, mit gespitzten Ohren und gekrümmten Rücken, und als sie es wieder hörten, fingen sie an zu graben.
    G EGENSTÄNDE, DIE VON HAND ZU HAND GEREICHT WURDEN
    Zementbrocken und Dachziegel. Ein Stück Wand, auf die eine baumelnde Sonne gemalt worden war.
    Ein unglücklich wirkendes Akkordeon, das aus seinem zerbrochenen Kasten spähte.
    Alles wurde hinaufgeworfen.
    Als ein weiteres Stück Hauswand beiseitegeräumt war, sah einer der Männer die Haare der Bücherdiebin.
    Der Mann hatte so ein nettes Lachen. Er verkündete die Geburt eines Kindes. »Ich kann's nicht glauben - sie lebt!«
    Zwischen den durcheinanderlaufenden und schreienden Männern herrschte eine solche Freude. Ich konnte ihre Begeisterung nicht recht teilen.
    Ich hatte ihren Papa in einem Arm gehalten und ihre Mama im anderen. Ihrer beider Seelen waren so weich.
    Ein Stück weit entfernt legte man ihre Körper ab, neben den anderen. Papas schöne silbrige Augen fingen schon an zu rosten, und Mamas Papplippen waren halb geöffnet festgefroren, in der Form eines unvollendeten Schnarchens. Diese gotteslästerlichen Deutschen - Jesus, Maria und Josef.
    Die rettenden Hände zogen Liesel heraus und fegten Schuttkrümel von ihrer Kleidung. »Liebes Mädchen«, sagten sie, »die Sirenen kamen zu spät. Was hast du da im Keller gemacht? Woher hast du Bescheid gewusst?«
    Was sie nicht bemerkten, war das Buch, das das Mädchen noch immer festhielt. Sie schrie ihre Antwort. Ein ohrenbetäubender Schrei einer Lebenden.
    »Papa!«
    Noch einmal. Ihr Gesicht verzerrte sich, als ihre Stimme eine höhere, panikerfüllte Note traf. »Papa! Papa!«
    Sie reichten sie aus den Trümmern hinauf, während sie schrie, heulte und weinte. Wenn verletzt war, merkte sie es nicht. Sie kämpfte sich frei, suchte und rief und heulte weiter.
    Sie hielt noch immer das Buch in der Hand.
    Verzweifelt klammerte sie sich an die Worte, die ihr das Leben gerettet hatten.
    der achtundneunzigste tag
    Siebenundneunzig Tage lang, gerechnet von Hans Hubermanns Rückkehr im April 1943, war alles in bester Ordnung. Manchmal packte ihn die Schwermut bei dem Gedanken an seinen Sohn, der bei Stalingrad kämpfte, aber er hoffte, dass er etwas von seinem eigenen Glück an Hans junior vererbt hatte.
    Am dritten Abend zu Hause spielte er in der Küche auf dem Akkordeon. Ein

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