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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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holte Rosa. Auf dem Weg dorthin erzählte er ihr, was geschehen war, und als Rosa eintraf, stellte sie dem Mädchen keine Fragen. Sie hatte die Puzzleteilchen bereits zusammengesetzt und kam nur an ihre Seite und überredete sie schließlich, sich hinzusetzen. Sie warteten gemeinsam.
    Als Papa alles erfuhr, ließ er seine Tasche fallen und versetzte der Bahnhofsluft ein paar Fußtritte.
    Keiner von ihnen dachte an diesem Abend an Essen. Papas Finger entweihten das Akkordeon, ermordeten ein Lied nach dem anderen, egal wie viel Mühe er sich auch gab. Nichts mehr schien zu funktionieren.
    Drei Tage lang blieb die Bücherdiebin im Bett.
    Jeden Morgen und jeden Nachmittag klopfte Rudi an die Haustür und fragte, ob sie immer noch krank war. Das Mädchen war nicht krank.
    Am vierten Tag ging Liesel zu ihrem Nachbarn und fragte, ob er mit ihr noch einmal zu den Weihnachtsbäumen gehen würde, wo sie im vorigen Jahr das Brot ausgelegt hatten.
    »Ich hätte dir schon früher davon erzählen sollen«, sagte sie.
    Wie verabredet gingen sie die Straße nach Dachau entlang. Sie standen zwischen den Bäumen. Bei ihnen standen lange Konturen aus Licht und Schatten. Tannenzapfen lagen überall wie Kekskrümel verstreut.
    Danke, Rudi.
    Für alles. Dafür, dass du mich von der Straße aufgelesen hast, dass du mich aufgehalten hast
    Sie sagte nichts davon.
    Ihre Hand lehnte an einem flockigen Ast neben ihr. »Rudi, wenn ich dir jetzt etwas sage, versprichst du, nichts davon zu verraten, und zwar niemandem?«
    »Natürlich.« Er spürte die Ernsthaftigkeit im Gesicht des Mädchens und die Schwere in ihrer Stimme. Er lehnte sich an den nächsten Baum. »Was ist los?«
    »Versprich es.«
    »Das habe ich bereits getan.«
    »Dann versprich es noch einmal. Du darfst es weder deiner Mutter noch deinen Brüdern oder Tommi Müller erzählen. Niemandem.«
    »Ich verspreche es.«
    Lehnend.
    Zu Boden schauend.
    Mehrmals suchte sie nach dem richtigen Anfang, las die Sätze zu ihren Füßen auf, befestigte Worte an Tannenzapfen und abgebrochenen Zweigen.
    »Weißt du noch, als ich mich beim Fußballspielen verletzt habe?«, fragte sie. »Auf der Straße?«
    Es dauerte etwa eine Dreiviertelstunde, bis sie die Geschichte von zwei Kriegen, einem Akkordeon, einem jüdischen Faustkämpfer und einem Keller erzählt hatte. Nicht zu vergessen, was vor vier Tagen auf der Münchener Straße geschehen war.
    »Das ist der Grund, warum du damals so nahe herangegangen bist«, sagte Rudi, »als wir das Brot dabeihatten. Du wolltest nachschauen, ob er dabei ist.«
    »Ja.«
    »Herr im Himmel.«
    »Ja.«
    Die Bäume waren hoch und dreieckig. Sie waren still.
    Liesel zog Die Worteschüttlerin aus ihrer Tasche und zeigte Rudi eine der Seiten. Auf ihr wai ein Junge mit drei Medaillen um den Hals zu sehen.
    »Haare wie Zitronen«, las Rudi. Seine Finger berührten die Worte. »Du hast ihm von mir erzählt?«
    Zunächst konnte Liesel nicht sprechen. Vielleicht war es die unvermittelte Holprigkeit der Liebe, die sie für ihn empfand. Oder hatte sie ihn schon immer geliebt? Höchstwahrscheinlich.
    So unmöglich ihr in diesem Moment die Worte waren, so sehr wünschte sie sich, dass er sie küssen möge. Sie wünschte, er würde ihre Hand nehmen und sie zu sich ziehen. Sie küssen. Egal wohin. Auf den Mund, ihren Nacken, ihre Wange. Ihre Haut war leer, unbesetzt, erwartungsvoll.
    Vor Jahren, als sie sich auf dem schlammigen Sportplatz ein Wettrennen geliefert hatten, war Rudi ein hastig zusammengewürfelter Haufen Knochen gewesen, mit einem zerklüfteten, kantigen Lächeln. An diesem Nachmittag zwischen den Bäumen war er ein Schenkender, der Brot und Teddybären verteilte. Er war ein dreifacher Sieger. Er war ihr bester Freund. Und er war noch einen Monat von seinem Tod entfernt.
    »Natürlich habe ich ihm von dir erzählt«, sagte Liesel.
    Sie sagte Lebewohl, ohne es zu wissen.
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    Mitte August wollte sie aus dem üblichen Grund zur Großen Straße 8 gehen. Um sich aufzuheitern. Das glaubte sie jedenfalls.
    Der Tag war heiß gewesen, aber für den Nachmittag waren Schauer angekündigt. Als Liesel an Frau Lindners Eckladen vorbeiging, musste sie an eine Passage aus Die letzte menschliche Fremde denken, kurz vor Ende des Buches.
    DIE LETZTE MENSCHLICHE FREMDE, SEITE 211
    Die Sonne rührt die Erde um. Immer im Kreis, so rührt sie uns, wie einen Eintopf.
    Zu diesem Zeitpunkt kam Liesel die Stelle nur in den Sinn, weil es so warm war.
    Auf

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