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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anjali Banerjee
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zaubert. Außerdem hat sie ein Händchen dafür, der neuesten Mode zu folgen, und zwar so, dass es wie ein Kinderspiel wirkt. Ich hingegen schaffe es gerade mal, dunkelblaue Hosenanzüge und schlecht sitzende Pumps zu kaufen, von denen ich Blasen bekomme. Es gelingt mir meistens auch, den Deckel vom Feinschmeckermenü aus dem Imbiss abzukriegen, ohne mir dabei die Nägel abzubrechen.
    Ich ziehe die oberste Kleidungsschicht und meine Schuhe aus und folge Ma ins Wohnzimmer. Die Möblierung ist ein Sammelsurium, zusammengetragen während der Reisen meiner Eltern– Folkolorekunst aus Hawaii, Indien und Afrika.
    » Ich brauche einen Internetanschluss«, sage ich, um einen möglichst unangestrengten Ton bemüht.
    » Wie immer in meinem Arbeitszimmer.« Mein Vater kommt, ein Glas Whiskey in der Hand, herein. Er geht gebeugt und ist mager geworden. Seit unserem letzten Treffen scheint er ein paar Zentimeter geschrumpft zu sein. Er wirkt gealtert. Seine Leinenhose ist zerknittert, das graue Haar zerzaust.
    Ich umarme ihn fest und bin erstaunt über die Gefühle, die in mir aufsteigen. Ich habe ihn vermisst. Aber meine E-Mails ebenfalls. » Bin gleich zurück.«
    Ich laufe den Flur entlang in sein unaufgeräumtes Arbeitszimmer, logge mich in mein Konto ein und stelle fest, dass seit heute Morgen einhundertsiebenundfünfzig Mails eingegangen sind. Siebenundneunzig davon sind dringend.
    Drei Nachrichten sind von Robert. Sie fordern mich auf, meine Mailbox abzuhören. Angebot für Wohnung, unter angesetztem Preis. Wo bist du?
    Ich habe ihm nichts von meiner Reise erzählt. Soll er sich doch ausnahmsweise mal das Hirn zermartern. Wie leichtgläubig war ich, als ich in klaren Sommernächten wartend dasaß und annahm, er müsste einfach nur Überstunden machen.
    Ich tippe eine rasche Antwort: Ich wollte nie ausziehen. Du hast mich aus meinem Zuhause vertrieben. Niemals werde ich mich mit auch nur einem Dollar unterhalb des angesetzten Preises zufriedengeben.
    Ich lösche die Nachricht, anstatt sie abzuschicken, lehne mich zurück und hole einige Male tief Luft. Hoffentlich werden die neuen Besitzer meinen Blumengarten nicht roden oder neue Steine in der Auffahrt verlegen. Aber ich muss die Eigentumswohnung verkaufen. Mir bleibt nichts anderes übrig.
    » Alles in Ordnung?« Dad steht in der Tür. » Es gibt gleich Essen.« Er lässt den Whiskey im Glas kreisen. Eigentlich wirbelt er ständig etwas mit der Hand herum, wenn nicht Whiskey, dann eine Gabel, einen Strohhalm oder eine nicht angezündete Zigarre.
    » Alles bestens.« Ich logge mich aus und folge ihm ins Esszimmer. Wir setzen uns an den langen Eichentisch, den meine Eltern schon seit Menschengedenken besitzen. Hier habe ich zahllose Mahlzeiten hinter mich gebracht und mich geweigert, Leber zu essen. Stattdessen habe ich sie unter dem Tisch an Willow, unsere Katze, verfüttert. Sie ist an Altersschwäche gestorben. Vielleicht war ja auch die Leber schuld daran.
    Neben mir steht ein leerer Stuhl, Robs Stuhl, wenn wir zum Essen hier waren. Nun ist sein Platz leer. Das grüne Platzdeckchen aus Bambus ist verschwunden. Mutter hat die übrigen Gedecke und das gute Silberbesteck aufgelegt. Sie ist ein ordentlicher Mensch und hält das zentrifugale Chaos meines Vaters in Schach. Ohne hinzuschauen, weiß ich, dass ich jede Schublade im Haus aufmachen kann und den Inhalt gut sortiert vorfinden werde. Briefe werden mit Gummibändern zusammengehalten. Außerdem weiß ich, dass meine Mutter an sonnigen Tagen die Jalousien runterlässt, damit der Parkettboden nicht ausbleicht. Im Gegensatz zu mir lässt sie es nie so weit kommen, dass sich hinten im Kühlschrank die Reste sammeln.
    Dad thront am Kopf der Tafel und lässt nun das Eis in seinem Whiskeyglas kreisen. » Schön, dass du zu Hause bist. Deine Schwester hat…«
    » Ich dachte schon, dass ich Jasmines Stimme gehört habe.« Gita kommt aus der Küche. Ihr Haar ist noch feucht vom Duschen, und sie hat eine Schüssel Basmatireis in der Hand. Ich stehe auf und umarme sie, ohne dabei an die Schüssel zu stoßen. In ihrem Designer-Hosenanzug und mit dem bunten Modeschmuck ist sie ein wandelndes Werbeplakat für ihre Boutique in Seattle. Ihr markantes Gesicht würde auf die Titelseite der Vogue passen.
    » Wie geht es Dilip?«, frage ich sie. » Ist er…?«
    » Geschäftsreise«, erwidert Gita und lächelt rasch, als wolle sie etwas verbergen. » Morgen kommt er zurück. Wenn nicht, verlasse ich ihn.«
    Mom schnappt nach Luft. »

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