Die Büchse der Pandora
das stimmt. Aber woher wissen Sie das?«
»Oh, wir haben da so unsere Methoden«, erwiderte sie. »Hoffentlich stört es Sie nicht, wenn ich weiterplappere – Mr Blunt hört mich gern reden. Er behauptet immer, es rege seinen Geist an.«
Die junge Frau starrte sie an. Sie war schlank und grazil, nicht auffallend schön, aber voller Anmut. Ihr weiches braunes Haar fiel ihr bis auf die Schultern, und ihre dunkelblauen Augen waren still und schön wie ein Bergsee, obwohl die dunklen Schatten unter diesen Augen von Kummer und Angst zeugten.
»Wollen Sie mir sagen, was Sie bedrückt, Miss Dean?«, fragte Tommy.
Mit dankbarem Blick wandte sie sich ihm zu.
»Es ist eine lange Geschichte«, sagte sie. »Ich heiße Monica Dean. Mein Vater war Pfarrer in Little Hampsley in Suffolk. Er starb vor drei Jahren, meine Mutter und ich blieben mittellos zurück. Ich fand eine Stellung als Gouvernante, aber meine Mutter wurde so krank und gebrechlich, dass ich heimkommen und sie pflegen musste. Wir waren arm wie Kirchenmäuse, aber eines Tages erhielten wir den Brief eines Rechtsanwalts, der uns mitteilte, dass eine Tante meines Vaters gestorben sei und mir ihr ganzes Vermögen vermacht habe. Ich hatte oft von dieser Tante gehört; sie hatte sich vor Jahren mit meinem Vater überworfen, aber ich wusste, dass sie sehr wohlhabend gewesen war. Unsere Not schien nun ein Ende zu haben, aber die Dinge waren nicht so rosig, wie wir gehofft hatten. Ich erbte das Haus, in dem sie gelebt hatte, aber als ich ein oder zwei kleine Vermächtnisse ausgezahlt hatte, blieb kein Bargeld übrig. Sie hatte wahrscheinlich ihr Vermögen während des Krieges verloren oder jahrelang vom Kapital gelebt. Doch wir hatten ja noch das Haus, und sehr schnell bot sich eine Gelegenheit, es zu einem guten Preis zu verkaufen. Es war vielleicht sehr töricht von mir – aber ich lehnte das Angebot ab. Wir lebten in einer kleinen, sehr teuren Wohnung, und ich dachte, es wäre viel schöner, im ›Roten Hause‹ zu wohnen, wo meine Mutter bequeme Räume zur Verfügung hätte und Pensionsgäste aufnehmen könnte, um unsere laufenden Ausgaben zu decken. Ich blieb bei diesem Plan, obwohl der Herr, der das Haus kaufen wollte, mir ein weiteres, noch verlockenderes Angebot machte. Wir übersiedelten, und ich gab eine Annonce auf, um Pensionsgäste zu bekommen. Eine Zeit lang ging alles gut. Auf unsere Annonce kamen mehrere Gäste, das alte Dienstmädchen meiner Tante blieb bei uns, und wir erledigten zusammen die Arbeit im Haus. Und dann begannen diese unerklärlichen Dinge.«
»Was für Dinge?«
»Sehr seltsame Dinge. Das ganze Haus war plötzlich verhext. Bilder fielen von den Wänden, Porzellan flog durch die Zimmer und zerbrach, und eines Morgens fanden wir alle Möbel von den Wänden gerückt. Erst dachten wir, jemand treibe seinen Scherz mit uns – aber diese Erklärung wurde bald hinfällig. Manchmal, wenn wir alle bei Tisch saßen, ertönte plötzlich über unseren Köpfen ein fürchterliches Krachen. Wenn wir hinaufkamen, konnten wir niemanden entdecken, aber immer war ein Möbelstück umgeworfen worden.«
»Ein Poltergeist!«, rief Tuppence, höchst interessiert.
»Ja, das sagte Dr. O’Neill auch – obwohl ich nicht recht weiß, was das Wort bedeutet.«
»Das ist eine Art böser Genius, der den Menschen Streiche spielt«, erklärte Tuppence, obwohl sie selbst recht wenig von dieser Materie verstand.
»Nun, jedenfalls war die Wirkung katastrophal. Unsere Pensionsgäste schwebten in Todesängsten und zogen aus, so schnell sie konnten. Neue kamen, aber auch sie ergriffen bald die Flucht. Ich war verzweifelt. Zu alledem kam noch, dass unsere eigene kleine Rente plötzlich ausblieb – das Unternehmen, in das wir unser Geld gesteckt hatten, meldete Konkurs an.«
»Armes Kind!«, rief Tuppence voll Mitgefühl. »Was Sie durchgemacht haben! Wollten Sie Mr Blunt darum bitten, diesen Hexensabbat aufzuklären?«
»Nein, nicht gerade. Sie müssen wissen, dass vor drei Tagen ein Herr bei uns vorsprach. Er heißt Dr. O’Neill. Er sagte, er sei Mitglied der Akademie der Wissenschaften und habe von den merkwürdigen Erscheinungen in unserem Hause gehört. Er interessiere sich sehr für diese bemerkenswerten Phänomene und sei bereit, das Haus zu kaufen, um eine Reihe von Experimenten durchzuführen.«
»Nun – und?«
»Natürlich war ich zuerst ganz selig über diesen Vorschlag. Hier bot sich endlich ein Ausweg aus all unserer Not. Aber…«
»Ja?«
»Sie
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