Die Büchse der Pandora
ernst. »Wenn das Geheimnis des ›Roten Hauses‹ tatsächlich so kostbar ist, wie es der Eifer gewisser Leute, das Haus zu erwerben, vermuten lässt, steht uns ein kleiner Prozentsatz des Gewinnes zu. Andernfalls – nichts.«
»Danke, danke vielmals«, flüsterte Miss Dean.
»Machen Sie sich bloß keine Sorgen mehr. Alles wird gutgehen. Wir wollen uns jetzt das Essen schmecken lassen und von anderen Dingen reden.«
»Nun«, sagte Tommy und blickte düster aus dem Fenster des Gasthauses, »ich könnte mir keine trostlosere Gegend vorstellen.«
»Wir wollen mal zusammenfassen, was wir in diesem Fall bereits wissen«, meinte Tuppence sachlich.
»Schön. Damit ich gleich mit der Hauptsache anfange: Die Hauptverdächtige ist meiner Ansicht nach die kranke Mutter.«
»Warum?«
»Meine liebe Tuppence! Angenommen, diese ganze Poltergeschichte wurde aufgezogen, um das Mädchen zum Verkauf des Hauses zu zwingen, dann muss doch jemand die Möbel absichtlich umgeworfen haben. Die Kleine behauptet, dass alle bei Tisch waren – aber wenn die Mutter ans Bett gefesselt ist, dann muss sie doch oben in ihrem Zimmer gewesen sein.«
»Wenn sie ans Bett gefesselt ist, kann sie keine Möbel umwerfen!«
»Und wenn sie nur so tut?«
»Wozu denn?«
»Ja, das ist die Frage«, gestand Tommy. »Ich wollte nur das altbewährte Prinzip anwenden, die unwahrscheinlichste Person zu verdächtigen.«
»Du machst dich doch immer über alles lustig«, tadelte Tuppence streng. »Irgendetwas befindet sich in dem Haus, was gewisse Leute unbedingt in ihren Besitz bringen wollen. Aber was? Du scheinst dich nicht besonders für die Sache zu interessieren. Ich schon. Mir gefällt die Frau. Ein liebes Ding.«
Tommy nickte, wieder ernst geworden.
»Ich bin ganz deiner Meinung. Aber ich kann der Verlockung nicht widerstehen, dich ein bisschen aufzuziehen. Ohne Zweifel ist in dem Haus irgendetwas verborgen, das sehr schwer zugänglich ist, denn sonst hätte ein Einbruch genügt, um sich in den Besitz des geheimnisvollen Gegenstandes zu setzen. Weil gewisse Leute aber das Haus unbedingt kaufen wollen, muss man annehmen, dass der gesuchte Gegenstand hinter den Wänden oder unter dem Fußboden verborgen liegt, oder dass es sich um eine Erdölquelle im Gemüsegarten handelt.«
»Erdöl unter dem Gemüse? Nein! Ein vergrabener Schatz ist viel romantischer.«
»Wie du willst«, sagte Tommy. »Aber da du gerade von Geld sprichst, halte ich es für eine gute Idee, dem Leiter der Sparkasse im Ort einen Besuch abzustatten. Ich werde ihm erzählen, dass ich wahrscheinlich das ›Rote Haus‹ kaufen werde und ein Bankkonto eröffnen möchte.«
»Aber warum nur?«
»Nur Geduld. Du wirst schon sehen.«
Tommy kam nach einer halben Stunde wieder zurück. Seine Augen blitzten.
»Es geht vorwärts! Das Gespräch verlief programmgemäß. Ich fragte dann ganz beiläufig, ob bei ihm in den Jahren nach dem Krieg viel Geld eingezahlt worden sei, von den Bauern, die in den Kriegsjahren ihre Ersparnisse in Münzen umgetauscht und auf ihren Höfen gehortet hatten. Dann sprachen wir von den eigenartigen Sparmethoden alter Damen. Ich erzählte ihm eine Geschichte von meiner Tante, die beim Ausbruch des Krieges einen Lieferwagen zum nächsten Kaufhaus schickte und sich sechzehn Schinken einladen ließ. Darauf erzählte er mir die Geschichte von einer Klientin, die darauf bestanden hatte, ihr ganzes Guthaben in Gold ausgezahlt zu erhalten und auch ihre gesamten Wertpapiere selbst in Verwahrung zu nehmen. Ich empörte mich über so viel Dummheit, und er bemerkte ganz nebenbei, dass diese Klientin die frühere Besitzerin des ›Roten Hauses‹ gewesen sei. Verstehst du? Sie hat ihr ganzes Geld abgehoben und es irgendwo versteckt. Monica Dean erwähnte doch, sie sei über die Geringfügigkeit des vorhandenen Barvermögens erstaunt gewesen. Ja, die Tante hat ihr ganzes Geld im Haus versteckt, und jemand weiß darüber Bescheid. Und ich kann mir denken, wer dieser Jemand ist.«
»Wer?«
»Wie steht es mit der treuen Miss Crockett? Sie kannte zweifellos alle Schrullen ihrer früheren Herrin.«
»Und Dr. O’Neill mit dem goldenen Zahn?«
»Der Gentleman-Neffe natürlich! Wir haben es! Aber wo mag nur die Alte das Geld versteckt haben? Du kennst die Eigenheiten alter Damen besser als ich, Tuppence. Wo verstecken sie ihre Schätze?«
»Sie packen sie in Strümpfe und Unterröcke und verstecken sie unter Matratzen.«
Tommy nickte zustimmend. »Das trifft wahrscheinlich
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