Die Burg der flammenden Herzen
Hand aus und zog das Kästchen zu sich. Dem Haufen aus Perlen, Gold und glitzernden Edelsteinen entnahm er zwei Schmuckstücke und hielt sie Beatrice hin, so dass sie die Stücke genau betrachten konnte. Sie erkannte sie sogleich, und eine Woge der Erleichterung erfasste sie. Thomas’ Sohn hatte sie also nicht gefunden und nicht für sich beansprucht. Beatrice hätte auf alles andere aus dem Kästchen verzichtet, aber von diesen beiden Stücken würde sie sich niemals willentlich trennen.
In Henry Ishams Handfläche lagen ein aus Saphiren und Diamanten gefertigtes
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und ein kleiner, goldener Reiher, der mit Diamanten und Gagat besetzt war. Thomas hatte sie einst für sie anfertigen lassen, ohne zu wissen, was sie bedeuteten, denn sie hatte ihre Gründe sorgsam vor ihm verheimlicht. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ein
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wie Beatrice haben wollte, doch in Wahrheit stand das
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für Benbury, und der Reiher war ein Benbury-Reiher. Der Schmuck war ihr Talisman gewesen, eine Erinnerung, dass Sebastian sie einst geliebt hatte. Sie nahm den Reiher aus Ishams Hand und umschloss ihn.
“Was bedeuten diese Gegenstände, Mylady?”
Sie drückte den Reiher an sich, als ob sie fürchtete, Isham könnte sie ihr wieder wegnehmen. “Sebastian.”
“Ihr liebt ihn, nicht wahr?” Seine Stimme klang sehr sanft.
Sie nickte und dann nahm sie ihren Mut zusammen und sagte im Flüsterton: “Aber er liebt mich nicht.”
“Woher wisst Ihr das, Mylady?”
“Er hat mit Euch gesprochen. Ich habe gehört, was er zu Euch gesagt hat.”
“Ah.” Behutsam schloss Isham den Deckel des Kästchens. “Glaubt Ihr nicht, dass Eure Liebe ihn für Euch gewinnen wird?”
“Nein. Ich bin eine große Närrin gewesen, und nun ist es zu spät.”
“Was habt Ihr getan, das so furchtbar ist?”
“Das kann ich Euch nicht sagen. Bitte glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass Sebastian es mir nie verzeihen wird.”
“Wenn Ihr erlaubt, ich denke, da irrt Ihr Euch.”
Hoffnung flackerte auf, so heftig und unerwartet, dass es beinahe schmerzte. Sie schloss die Augen, um diese Hoffnung zu bewahren. “Lasst das, ich bitte Euch. Ich ertrage es nicht.”
“Ich habe Euch nicht für eine so furchtsame Frau gehalten, Mylady.”
Bei diesen Worten öffnete sie die Augen. “Furchtsam? Ihr haltet mich für furchtsam?”
“Ängstlich wie eine Nonne”, erwiderte er, ohne verletzend zu klingen. “Alles, was ich besitze, bekam ich durch Wagemut. Alles, was Sebastian besitzt, bekam er, da er keine Gefahren gescheut hat.”
Verständnislos sah sie ihn an, da seine Worte sie verwirrten. “Alles, was Sebastian besitzt, hat er von seinem Vater geerbt.”
“Was Sebastian von seinem Vater geerbt hat, waren Schulden. Er hat in den letzten fünf Jahren hart gearbeitet, um sie zu begleichen und um etwas aus seinen Besitztümern zu machen.”
Sebastian war verschuldet gewesen? Wenn sie auch vieles vor ihm verheimlicht hatte, so hatte sie geglaubt, er hätte nichts vor ihr verborgen, vor niemandem. Für einen Augenblick flammte der Zorn wie ein Blitz in ihr auf. Wie konnte Sebastian es wagen, ihr vorzuhalten, dass sie Dinge verheimliche, wenn er das Gleiche getan hatte? Doch sie begriff rasch, und ihr Zorn legte sich – er war aus dem gleichen Grund nicht ehrlich zu ihr gewesen wie sie. Er hatte es nicht gewagt, da er ihr nicht vertrauen konnte.
“Das wusste ich nicht …”, sagte sie verblüfft.
“Er wollte nicht, dass es irgendjemand erfährt.”
“Warum erzählt Ihr mir dann davon?” fragte sie und hob das Kinn. Wenn Sebastian seine Geheimnisse wahren wollte, warum gab Isham sie dann preis?
“Ich weiß nicht genau, warum”, erwiderte er. “Vielleicht, um Euch zu ermutigen, das zu verfolgen, was ihr Euch wünscht – die Liebe meines Neffen. Vielleicht, um Euch zu zeigen, dass er ein Mann ist, der großen Wagemut besitzt. Er könnte es sehr wohl wagen, Euch zu lieben, Mylady. Wie wollt Ihr es je wissen, wenn Ihr es nicht versucht?”
“Ich habe meinen ersten Gemahl betrogen, und Sebastian weiß davon. Heute Morgen sah er mich im Garten von Wednesfield zusammen mit dem Mann, auf den ich mich einst eingelassen habe. Jetzt hält er mich für unzuverlässig und lüstern. Ich weiß es.”
Isham pfiff leise durch die Zähne. Ihr wurde ganz flau im Magen. “Seid Ihr unzuverlässig und lüstern?”
Energisch schüttelte sie den Kopf. “Das bin ich nicht.”
“Warum habt Ihr diesen Mann dann getroffen?”
“Um ihm zu sagen, dass er gehen
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