Die Burg der flammenden Herzen
entspannte sich. Die kühle Berechnung in seinen Augen wich einer unerwarteten Offenheit. Sebastian vermochte nicht zu sagen, ob sein Gegenüber es ehrlich meinte.
“Beatrice hat nicht nach mir geschickt. Vielmehr hat sie mich in einem Brief gebeten, sie in Ruhe zu lassen.” Er schien die Wahrheit zu sprechen, aber jeder gute Lügner würde sich verstellen.
Sebastian konnte sich nicht entspannen. “Wann hat sie Euch geschrieben?”
“Ich erhielt ihren Brief vor fünf Tagen.”
Obwohl sie es nicht für nötig befunden hatte, ihm ein paar Zeilen zukommen zu lassen, hatte sie an Conyers geschrieben. Erneut flammte Sebastians Zorn auf.
“Warum sollte ich Euch glauben?” fragte er.
Conyers griff in sein Wams, holte ein zusammengefaltetes Stück Pergamentpapier hervor und reichte es Sebastian. “Lest ihren Brief selbst.”
Widerwillig nahm Sebastian das Schreiben entgegen und faltete es auseinander. Es war ihre Handschrift, ungeübt und unregelmäßig, aber die Wortwahl, die sie benutzte, war wohlklingender als in den Briefen an ihn. Die Vergangenheit sei vorbei, sie sei verlobt und werde an Michaelis heiraten. Wenn er, Conyers, sie liebte, würde er ihr nicht mehr schreiben. Sie würde für seine Seele beten. Ihre Unterschrift war unsicher, als ob es sie geschmerzt hatte, die Feder zu führen.
Obgleich der Brief Conyers’ Worte bestätigte, dass sie ihn zurückgewiesen hatte, fand Sebastian in den Zeilen keinen Trost. Beatrice hatte ihm nicht mehr geschrieben, aber die Zeit gefunden, ihrem ehemaligen Liebhaber zu schreiben. Er steckte das Papier in sein Wams.
“Das ist mein Brief, Mylord.”
“Nicht mehr.”
“Mylord …”
“Wenn Beatrice nicht nach Euch geschickt hat, warum seid Ihr dann hier?”
“Ich liebe sie. Und ich möchte sie heiraten.” Sein Augenausdruck wurde schärfer, als er Sebastian beobachtete. “Wenn Ihr sie nicht liebt, so gebt sie frei und lasst sie mir.”
“Wer sagt, dass ich sie nicht liebe?”
“Sie selbst.”
Warum sollte sie so etwas behaupten? Er dachte an das Gespräch mit seinem Onkel, an die Frage, die ihn so erschreckt hatte, dass er sich in eine Lüge geflüchtet hatte. Vielleicht hatte Beatrice sie sprechen hören. Aber wie, wenn er nichts von ihrer Gegenwart bemerkt hatte?
“Liebt Ihr sie?” unterbrach Conyers’ Stimme seine Gedanken.
“Das geht Euch nichts an”, entgegnete er.
“Da ich Liebe für sie empfinde, geht es mich etwas an. Gebt sie auf. Gewiss gibt es andere Frauen, die Ihr haben könnt.”
Es gab nur eine Frau, und er würde sie nicht freigeben, schon gar nicht an diesen Schurken.
“Nein. Sie ist meine Gemahlin.”
“Ich werde freundlicher zu Beatrice sein als Ihr.”
“Das tut nichts zur Sache. Wir sind verheiratet.”
Conyers runzelte die Stirn und seufzte. Seine Miene hatte sich verfinstert, wie klares Wasser, das plötzlich trübe wurde. “Gewiss wollt Ihr sie nicht, da sie schon bei mir gelegen hat.”
Sebastian lächelte, halb erzürnt und halb belustigt durch Conyers’ Lüge. “Da sie nicht bei Euch gelegen hat, fällt es nicht ins Gewicht.”
“Sie war meine Geliebte.”
“Ich will zugeben, dass sie etwas getan hat, was sie nie hätte tun dürfen, aber ich weiß, wie weit sie bei Euch gegangen ist. Ihr habt nicht bei ihr gelegen.”
“Sie hat Euch getäuscht. Ich kenne die Form ihrer Brüste, die Farbe ihrer …”
Sebastian unterbrach ihn. “Sie war noch Jungfrau, als ich das erste Mal bei ihr lag. Unser Verlöbnis bindet uns an die Ehe. Sie ist meine Gemahlin, und nichts, was Ihr sagt, keine Bitte, die Ihr vorbringt, wird das ändern. Jetzt schert Euch fort, bevor ich die Hunde auf Euch hetze.”
Conyers errötete. “Aber ich liebe sie.”
Erneut trat Sebastian einen Schritt auf ihn zu. “Das tue ich auch, und ich werde sie nicht gehen lassen. Schert Euch fort, Conyers. Meine Geduld ist zu Ende.”
“Sie liebt mich.” Es klang wie eine letzte, verzweifelte Lüge, aber selbst wenn er die Wahrheit sprach, kümmerte es Sebastian nicht. Beatrice gehörte ihm.
“Dann wird sie ihr Leben eben damit verbringen, sich nach Euch zu verzehren. Geht, Conyers. Ihr seid hier nicht willkommen.”
Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging zurück zur Halle. Beatrice wartete im Gang, wie ein Schatten im schwachen Licht. Rasch ging er an ihr vorbei, ohne ein Wort zu sagen, denn sein Zorn war zu groß, um ihn bändigen zu können. Er fürchtete, sie womöglich zu schlagen, wenn er sie anspräche. Daher eilte er
Weitere Kostenlose Bücher