Die Burg der flammenden Herzen
eine Zuflucht vor ihren Ängsten und inneren Dämonen?
Eine Zuflucht …
Sie blies die Kerze aus, da sie nicht von den beunruhigenden Schatten begleitet werden wollte, drehte sich auf dem Absatz um und ging in Richtung der Kapelle, die am anderen Ende des Hauses lag.
3. KAPITEL
K urz nachdem Beatrice die anderen verlassen hatte, stand Sebastian auf und verbeugte sich vor dem Earl und der Countess. Jetzt, da Beatrice fort war, erinnerten ihn alle, die am Tisch saßen – John und seine Frau, Lord Wednesfield und seine Gemahlin, sogar Cecilia –, daran, was ihm nie vergönnt sein würde: eine erfüllte und friedliche Ehe. Und diesen Gedanken konnte er nicht länger ertragen.
Er verließ das Speisezimmer in Richtung der Empfangshalle. Die Nacht war angebrochen und es war längst Zeit, ins Bett zu gehen, aber er war zu aufgewühlt, um zu schlafen. Wenn er nun in sein Gemach zurückkehrte, würde er nur wach liegen und an nichts anderes denken als Wollpreise, seine Pachtzinsen und Einkünfte, die seine Ausgaben immer weniger deckten … und an Beatrice.
Im Haus herrschte vollkommene Ruhe, als seien sämtlicher Bewohner, selbst diejenigen, die er soeben verlassen hatte, in traumlosen Schlaf gefallen. Sebastian beneidete sie. Er entsann sich, wie leichtfertig er einst geglaubt hatte, er käme nie zu Schaden, weil ihm nie ein Unrecht widerfahren war. Wenn sein Onkel ihm nicht geholfen hätte, hätte er womöglich alles verloren. Seither begleitete ihn die Angst um Benburys Zukunft Tag und Nacht.
Am anderen Ende der Halle geriet ein weißer Fleck in sein Blickfeld, der schwach von der Glut im Kamin beleuchtet wurde. Sebastian zog sich weiter in die Schatten zurück. Wer schlich dort durch die Halle, wenn doch fast alle Bewohner sich längst in ihre Gemächer zurückgezogen hatten? Und warum sah er lediglich das weiße Oval eines Gesichts in der Dunkelheit?
Die Gestalt kam näher, und der matte Schein des Feuers fiel auf die Verzierungen der samtenen, schwarzen Röcke. Gehüllt in ihr Witwenschwarz, war die Gestalt gleichsam mit den Schatten verschmolzen und selbst für seine scharfen Augen kaum wahrnehmbar.
Beatrice.
Sie ging an ihm vorüber, ohne ihn zu bemerken. Vielleicht gab sie auch nur vor, ihn nicht gesehen zu haben. Dann schritt sie durch einen Bogen, der zu den Stufen der Kapelle führte. Sebastian schlich ihr nach und fragte sich, wohin sie zu dieser späten Stunde wohl gehen mochte, doch auf der untersten Treppenstufe zögerte er. Sie konnte nur in die Kapelle gegangen sein; es gab keine andere Möglichkeit. Aber wieso? In ihrer Familie war sie diejenige, die am wenigsten zur Frömmigkeit neigte, und sie war gewiss keine Frau, die mitten in der Nacht das Gebet suchte.
Seine Neugierde war geweckt, und da er sich nur zu gerne von seinen Sorgen ablenken ließ, folgte er ihr die Treppe hinauf.
Ein schwacher Schimmer aus dem Innern der Kapelle verriet ihm, dass die Tür halb offen stand. Als Sebastian eine Hand auf das Schnitzwerk legte, hielt er inne, um abzuwägen, ob er eintreten sollte. Wenn Beatrice in ein Gebet vertieft war, wäre er bloß ein unwillkommener Eindringling – und was auch immer sie dort drinnen machte, er müsste mit ihr sprechen, sobald er ihr gegenüberstand. Aber er hatte ihr nichts zu sagen. Nichts, das er zu äußern wagte.
Er stellte sich vor, wie er sich abkehrte, die Treppe hinunterging und die Halle durchquerte, um sein Bett aufzusuchen. Für das Treffen mit dem Earl am nächsten Tag würde Ruhe ihm sicher hilfreich sein; hier mit Beatrice zu verweilen, wäre allerdings töricht. Zudem gehörte die Zeit, da er sich noch von jeder Gefühlsregung leiten ließ, längst der Vergangenheit an.
Schließlich drückte er die Tür auf.
Die Kapelle war düster und nur von wenigen Lichtern erleuchtet, die Geborgenheit verhießen. Ein tapferes Schauspiel gegen die Schwärze der Nacht. Beatrice kniete auf dem Boden der Kapelle, ihr Kopf war über die gefalteten Hände gebeugt. Ihre Haube verbarg das Gesicht, doch selbst wenn er sie nicht auf den Treppenstufen gesehen hätte, hätte er sie an ihrem anmutigen, schlanken Hals erkannt. Fürwahr, er würde sie immer erkennen, unter allen Umständen. Als er sie und Conyers damals entdeckt hatte, hatte er sie innerhalb weniger Sekunden erkannt, obwohl sie ganz von dessen Armen umschlungen gewesen war.
Angespannt hob er die Schultern. Die allzu lebhafte Erinnerung, Beatrice in den Armen von George Conyers zu sehen, entfachte Wut in ihm, als
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