Die Burg der flammenden Herzen
gestiegen und offenbar auf dem besten Wege, befördert zu werden.
“Ich verspüre auch kein Verlangen, dorthin zurückzukehren”, sagte er plötzlich, als habe er ihre unausgesprochene Frage vernommen. Es war bereits das zweite Mal, dass er ihre Gedanken las. Sie zitterte. “Ist dir kalt?”
“Nein”, antwortete sie leise. “Ich fühle mich wohl.”
“Du musst mir sagen, wenn dir kalt wird.”
“Das tue ich.” Sie gingen ein wenig weiter. “Warum willst du nicht zurück zum Hof? Gewiss ist es dir dort nicht schlecht ergangen.”
“Es kostet zu viel und wirft zu wenig ab”, erwiderte er.
Sie dachte in diesem Augenblick an ihren eigenen, armseligen Werdegang. “Fürwahr.”
“Dann sind wir uns ja einig”, meinte er und legte die freie Hand auf ihre. “Ein ruhiges Leben für uns.”
“Ja”, bekräftigte sie.
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, und Sebastian war offenbar zufrieden. Doch Beatrice kam innerlich nicht zur Ruhe, denn eine misstrauische Stimme in ihrem Hinterkopf murmelte Fragen, die sie nicht zu stellen wagte.
Warum bist du jetzt so freundlich zu mir, obwohl du mich noch vor vierzehn Tagen verachtet hast? Was erwartest du von mir, das du nicht verlangen kannst?
Und unter der inneren Stimme tauchte die Erinnerung an eine Zeit voller Furcht auf, als sei Sebastian wie Thomas und treibe nur ein Spiel mit ihr, um sie zu beschämen.
Sebastian wäre nie so unfreundlich,
sprach die Stimme ihres Herzens, aber sagte ihr Herz nicht bloß das, was es glauben
wollte?
Beatrice wusste es nicht. Sie hatte geglaubt, sehen zu können, dann jedoch feststellen müssen, dass sie blind war; deshalb wagte sie es nicht, ihrem Urteilsvermögen zu vertrauen, da es sie in den letzten Jahren getrogen hatte.
“Was bereitet dir Kummer, Beatrice?” fragte Sebastian mit ruhiger Stimme.
“Nichts”, erwiderte sie. Sie konnte darüber nicht sprechen.
“Du wirkst so, als könntest du jeden Augenblick zusammenzucken. Fürchtest du dich vor mir?”
“Nein.” Es war keine Lüge. Mehr als alles andere fürchtete sie ihre eigene Torheit.
Er blieb stehen. “Was macht dir dann Angst? Denn du fürchtest dich vor etwas. Ich sehe es dir an.”
Konnte er es sehen? Wenn er sie jetzt richtig einschätzte, warum war ihm das dann nicht in der Vergangenheit gelungen? Er hatte sie so oft falsch beurteilt – wie konnte er jetzt richtig liegen? Vielleicht äußerte er nur Vermutungen, in der Hoffnung, dass sie sich womöglich als wahr erwiesen. Wenn es an dem war, hatte er ins Schwarze getroffen.
“Beatrice.”
“Ich kann es dir nicht sagen.”
“Kannst du es nicht? Oder willst du es nicht?”
“Wir haben schon darüber gesprochen”, erwiderte sie und schaute in seine Augen, in denen sie Zorn erwartete.
Doch er sah sie ruhig und voller Geduld an. “Ich weiß. Aber dieses Mal werde ich dich nicht tadeln. Kannst du es mir nicht sagen?”
Sie schüttelte den Kopf. “Ich kann die Worte nicht finden.” Denn das, was ihre Gedanken beherrschte, durfte um keinen Preis ausgesprochen werden.
“Falls du mich fürchtest, so gibt es dafür keinen Grund. Ich werde dir nicht wehtun.”
Das Leid, das ich erfahren habe, besaß viele Gesichter, dachte sie. Beatrice erinnerte sich mit Schaudern, wie sie unter der Schärfe des Hohns und unter kalten, abweisenden Worten gelitten hatte – und unter den niedersausenden Fäusten. Vielleicht hatte aber auch Cecilia Recht, und Sebastians freundlicher Umgang mit Tieren ließ tatsächlich darauf schließen, dass er seiner Gemahlin die gleiche Freundlichkeit entgegenbringen würde.
“Ich fürchte Trauer und Ernüchterung”, sagte sie leise.
“Du kannst mir vertrauen”, gab er ebenso leise zurück.
“Ich kann es nicht.”
Ihr stockte der Atem. Die Worte waren ihr herausgerutscht, denn seine zuvorkommende Art ließ sie unbedacht reden. Nun fürchtete sie, dass seine Freundlichkeit sich in Wut verwandeln würde. Was hatte sie anderes zu erwarten, wenn sie ihm deutlich gemacht hatte, dass sie ihm nicht vertraute?
“Dann muss ich dein Vertrauen gewinnen”, entgegnete er und zog ihre Hand an die Lippen.
“Wie soll ich dir vertrauen, wenn du London so erbost verlassen hast, dass du mich nicht einmal anschauen mochtest? Und dann kommst du zurück und tust so, als hätten wir uns nie gestritten. Ich muss immerzu an die Männer bei Hofe denken, die unerfahrenen Zofen nachstellen, ständig lächeln und liebliche Worte finden, um Täuschung und Schurkerei zu
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