Die Burg der flammenden Herzen
hatte ihr verboten zu nähen und behauptet, es schade ihren Augen; mit der Zeit war sie davon ausgegangen, dass er Verbote nur aussprach, weil es ihm Befriedigung verschaffte.
Es war eine Sünde, Gott für den Tod eines Menschen zu danken. Wenn es keine gewesen wäre, hätte sie dem Allmächtigen jeden Tag gedankt. War es aber verwerflich, froh über ihre Freiheit zu sein? Möge Gott es ihr nicht als Sünde anrechnen, denn sie wusste nicht, wie sie diese Gedanken beichten sollte und mochte sich auch nicht ausmalen, welche Bußen ihr dafür auferlegt würden.
Sie und ihre Mutter waren seit über einer Stunde schweigend in die Näharbeit vertieft, als ein Junge in die Kemenate schlüpfte und sich vor der Countess verbeugte. “Mylady, Lord Benbury lässt fragen, ob seine Verlobte, Lady Manners, ihm unten in der Halle Gesellschaft leisten darf.”
Beatrice hob den Kopf. Sebastian fragte nach ihr? Warum? Was wollte er?
Um dich werben,
flüsterte ihr eine innere Stimme zu, die sie mehr als beunruhigte.
Die Countess sah ihre Tochter an. “Das muss Lady Manners entscheiden.”
Geh, dachte sie. Bleib hier. Wenn sie klug wäre, würde sie bleiben, wo sie war … Aber Sebastian hatte nie zuvor offiziell nach ihrer Gesellschaft verlangt.
“Wenn Ihr mich nicht mehr braucht, Mutter, würde ich gerne zu ihm gehen.”
“Ich brauche dich nicht dringender als dein Gemahl, Kind. Geh.”
Beatrice ließ die Nadel im Tuch stecken, als wolle sie bloß einen Moment fortgehen. “Ich bin gleich zurück.”
Ein Anflug von schelmischem Spott schimmerte in den Augen der Countess, als ob sie wüsste, wie unwahrscheinlich es war, dass Beatrice bald zurückkehren würde. “Geh nur.”
Das Herz schlug Beatrice bis zum Hals, als sie die Kemenate verließ und die Treppe hinunterging, die in die glänzende Halle führte. An der einen Wand fiel die Morgensonne durch die bunten Glasfenster und tauchte den gefliesten Boden in die Farbenpracht des Topases, Rubins und Saphirs. Inmitten dieser Pracht stand Sebastian, sein goldenes Haar leuchtete, und das Blau seines kurzen Umhangs war von farbigen Mustern gesprenkelt. Als er Beatrice sah, lächelte er.
“Nun, Mylady”, rief er und kam auf sie zu. Er nahm ihre Hand, führte sie an die Lippen und hauchte einen warmen Kuss auf ihren Handrücken. Sein Daumen strich über ihre Knöchel. “Was, immer noch kein Schmuck?”
Sie horchte auf einen spöttischen Unterton, vernahm indes keinen. Dann sah sie in seine warmen blauen Augen. Er schien sich keiner Schuld bewusst zu sein, als hätte er sie nie verhöhnt oder der Habsucht bezichtigt. Beatrice beschloss, auf die wohl ehrlich gemeinte Frage zu antworten.
“Solange mein Stiefsohn mir nicht das zurückgibt, was mir zusteht, werde ich keinen tragen”, sagte sie.
“Dann ist es umso besser, dass mein Onkel sich für uns beide einsetzt”, erwiderte er.
Sie schluckte und schaute ihm tiefer in die Augen, um die Wahrheit zu finden, entdeckte aber bloß jene Wärme, der sie nicht ganz vertrauen wollte. War es eine Lüge? Oder hatte er sich ihr gegenüber gänzlich verändert? Sie würde die Antwort nie erfahren, sofern sie sich nicht ein wenig aus ihrer vorsichtigen Haltung herauswagte.
“Ich bin dankbar für jede Hilfe.”
“Es ist mir ein Vergnügen.” Er drehte ihre Hand um und führte ihre Handfläche an seine Lippen. Sein heißer Atem schien ihre Haut zu versengen. “Da das geklärt ist, lass uns ein wenig im Garten deiner Mutter spazieren gehen.”
“Warum?” Die Frage war heraus, bevor sie in der Lage war, sie zurückzuhalten.
Er lächelte sie an. “Da es angenehm sein wird.”
“Ich folge deinem Willen.”
Er legte ihre Hand, die er immer noch hielt, auf seinen Unterarm und geleitete sie durch einen Bogengang zu der Tür, die zu den Gärten hinter dem Haus führte. Als sie in den sonnendurchfluteten Garten traten, wandte er sich ihr zu und schaute sie an. Sein Lächeln war so strahlend wie ein Sommermorgen, seine Augen blauer als der Himmel über ihnen. Sosehr sie auch danach suchte, sie konnte keinerlei Verstellung bei ihm entdecken; seine Freude schien ehrlich zu sein. Und sie wollte nur allzu gern glauben, dass er aufrichtig zu ihr war.
“Ich habe es ernst gemeint, als ich den Wunsch äußerte, zwischen uns möge Harmonie herrschen.”
“Das wünsche ich mir auch.”
“Trefflich.” Er führte sie auf den Weg.
Der Garten in Wednesfield lag innerhalb der Burgbefestigung und war viel größer und älter als der
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