Die Burg der flammenden Herzen
auflöste und sein Weg wieder deutlich vor ihm lag.
“Hundesohn!” rief der Earl wutentbrannt und unterbrach Sebastian in seinen Gedanken.
Sebastian schaute auf. “Sir?”
“Wir werden nicht so schnell nach Wednesfield zurückkehren, wie ich dachte. Ich muss nach Norden, und ich wünsche, dass du mich begleitest.”
“Was ist denn vorgefallen, wenn Ihr mir die voreilige Frage erlaubt?”
“Welche Torheit”, sagte der Earl und faltete den Brief zusammen. “Barer Unsinn, doch ich muss trotzdem nach Norden reiten.” Er schaute Sebastian an. “Wenn du meiner Tochter antworten möchtest, musst du es heute Abend tun. Wir werden vor Sonnenaufgang aufbrechen.”
Sebastians Hand berührte die Stelle an seiner Brust, wo der Brief steckte. Das Papier knisterte in der Tasche. Seine einzige Hoffnung war, sich ruhig zu verhalten. “Nein, Sir. Ich schreibe nicht zurück.”
“Ich kann das nicht”, seufzte Lucia.
“Doch, du kannst es. Lass es mich dir noch einmal zeigen”, sagte Beatrice beharrlich. Der Einfall, Lucia die Schwarzstickerei beizubringen, war Beatrice gekommen, als ihre Schwägerin das Hemd betrachtet hatte, das sie für Sebastian anfertigte. Das Muster war das Gleiche, das sie bereits vor so vielen Jahren für ein Hemd für ihn benutzte hatte – schwarze Reiher auf weißem Grund für Benbury. Lucia hatte das Hemd genommen, auseinander gefaltet und auf ihren Knien ausgebreitet. Dabei hatten sich die fein gearbeiteten, schwarzen Stiche deutlich von dem weißen Leinen abgehoben. Ihr Seufzer und die Art, wie ihre Finger kaum merklich über den Stoff strichen, hatten Beatrice genug verraten.
“Nein, nicht mehr, bitte”, entfuhr es Lucia verzweifelt.
Beatrice sah Johns Gemahlin an. Lucias Wangen waren gerötet, und ihre Augen schimmerten, als ob sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde. “Sieh mir zu. Vielleicht ist das hilfreich.”
Abermals zog Beatrice die Nadel mit dem Seidenfaden durch das Leinen. Die Stiche waren winzig und fein und gingen ihr scheinbar mühelos von der Hand. Lucia beugte sich hinab und sah aufmerksam zu.
“Das werde ich nie können”, sagte sie halb laut zu sich.
“Doch, das wirst du”, erwiderte Beatrice ohne aufzuschauen, wobei sie genau wie ihre Mutter klang.
In diesem Augenblick klopfte jemand an die Tür zur Kemenate. Beatrice’ Mutter, die in die Rechnungsbücher vertieft war, rief: “Herein.”
Die Tür öffnete sich, und einer der Dienstboten trat ein. “Hier ist ein Brief meines Herrn Lord Wednesfield, Mylady.”
“Bring ihn hierher.”
Beatrice schaute auf. Gewiss war da noch ein zweiter Brief. Sebastian musste ihr geantwortet haben.
“Ist da kein anderer Brief?”
Das Gesicht ihrer Mutter nahm weichere Züge an. Sie wandte sich an den Diener. “Sieh nach, ob noch ein anderer Brief angekommen ist.”
“Mylady, es gibt nur diesen Brief.”
Die Countess drehte sich wieder zu Beatrice um. “Du hast deine Antwort.”
“Ja, Mylady.”
Sebastians Antwort war Schweigen, eine Leere, die nichts zurückgab. Sie konnte dieses Schweigen deuten, wie es ihr gefiel – fest stand, dass kein Brief geschickt worden war. Sebastian war bei ihrem Vater …
“Mylady, ist Lord Benbury noch bei meinem Vater?”
Ihre Mutter schaute zunächst sie an, dann den Diener. “Ihr dürft gehen. Ihr dürft euch alle entfernen, außer Lady Manners und Mistress Coleville.”
Als sich die Tür hinter der letzten Bediensteten geschlossen hatte, legte die Countess den Brief auf den Tisch. “Komm her, Beatrice.”
Sie erhob sich und setzte sich neben ihre Mutter.
“Ich weiß nicht, warum Sebastian dir nicht geschrieben hat, aber es schickt sich nicht, dass du dich in dieser Weise ängstigst. Er ist ein viel beschäftigter Mann und geht gemeinsam mit deinem Vater wichtigen Geschäften nach. Es mag sehr wohl sein, dass er nicht die Zeit hat, dir zu schreiben.”
“Mein Vater schreibt Euch”, flüsterte sie verzagt. Sie wollte es nicht aussprechen, aber die Worte waren ihr über die Lippen gekommen.
Die Countess schnaubte und nahm den Brief. “Hier. Lies, was er mir mitzuteilen hat.” Sie reichte Beatrice den Brief.
Ihr Vater schrieb genauso unsauber wie sie, und daher war es schwierig, den Brief zu lesen. Mühsam entzifferte sie die Zeilen und gewann den Eindruck, dass jeder Satz mit “Unternimm Folgendes …” oder “Ich wünsche, dass du …” begann. Es war eine Aneinanderreihung von Aufträgen, bei denen es um Waren von den Gütern und Geldern aus
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