Die Burg der Könige
Barbarossa zu sprechen.« Er lächelte. »Über Barbarossa und meinetwegen auch über den Normannenschatz. Es scheint, als erwärmten die alten Geschichten Euer Herz. Und wer kann besser von diesen alten Zeiten erzählen als ein Barde?« Er machte eine einladende Geste in Richtung Burg. »Kennt Ihr etwa schon die Ballade von Sir Gawains Kampf mit dem Grünen Ritter?«
Agnes lachte und ließ sich von Melchior durch das Birkengehölz führen. »Ihr versteht es wirklich, eine Frau in Euren Bann zu ziehen«, sagte sie schmunzelnd. »Wenigstens eine Frau, die so in Geschichten vernarrt ist wie ich. Also spannt mich nicht länger auf die Folter und erzählt schon!«
Gemeinsam gingen sie den Weg hinauf zur Burg, und die spannende Erzählung ließ Agnes ihre tristen Gedanken wenigstens für einige Zeit vergessen.
***
Am nächsten Morgen trieb der Wind Regen über die Ramburg. Die letzten Feuer in den Ställen und Schuppen waren verloschen, die Burg selbst eine ausgebrannte Ruine, deren Fensterlöcher wie blinde Augen in die Ferne starrten.
Obwohl es schon auf den Sommer zuging, war es ungewöhnlich kühl; der Sturm rüttelte an den Zelten des Feldlagers, als wollte er die Bewohner persönlich aufwecken. Pater Tristan hatte für die Verletzten ein zusätzliches Schutzzelt aus einigen erbeuteten Stoffplanen errichten lassen, so dass Mathis nun wenigstens im Trockenen lag. Er hatte die ganze Nacht über schlecht geschlafen, sein rechtes Bein pochte und schmerzte qualvoll dort, wo ihn der Armbrustbolzen getroffen hatte. Im Schulterbereich und im Gesicht hatten ihn außerdem einige Schrapnelle erwischt, die Pater Tristan bereits gestern vorsichtig mit einer Pinzette entfernt hatte. Auf der rechten Wange würde Mathis eine hässliche Narbe bleiben, doch im Grunde war es ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte. Bei der Explosion von Feuerrohren blieben von den Geschützmeistern meist nur blutige Fetzen übrig.
Draußen vor dem Zelt wurde es langsam hell, die Rufe der Landsknechte und das Wiehern der Pferde drangen immer lauter an Mathis’ Ohr. Er stand mühsam auf, humpelte an den anderen Verletzten vorüber, bis er endlich die Plane erreicht hatte und sie zur Seite schlug.
Draußen tobte ein Unwetter; die vielen Landsknechte, die nicht in den Zelten Platz gefunden hatten, saßen fluchend und mit tief ins Gesicht gezogenen Hüten im Schutz der Wagen und Karren. Alle starrten sie gespannt auf einen Kreis aus in den Boden gesteckten Spießen unweit der größten Feuerstätte. Das Rund maß etwa zwanzig Fuß im Durchmesser, der Boden war matschig und durchweicht; auf einen der Spieße hatte jemand den Kopf eines enthaupteten Burgmannes gesteckt, der nun mit eingefrorenem, blutverschmiertem Grinsen zu Mathis herüberglotzte.
Als der junge Waffenschmied den Blick wandte, sah er, dass vor dem großen Zelt zu seiner Rechten Philipp von Erfenstein stand. Der Burgvogt trug seine volle Rüstung, das Visier war hochgeklappt, die Hände ruhten auf einem mächtigen Bihänder, der vor ihm im Schlamm steckte. Gedankenverloren blickte Erfenstein empor zum trüben Himmel, an dem sich jetzt zum ersten Mal als fahle Scheibe die Sonne hinter den Wolken zeigte. Der Regen war mittlerweile in ein stetes Nieseln übergegangen.
»Wie in Guinegate«, brummte Philipp von Erfenstein. »Da war es auch so nass, dass die Pferde und Trosswagen im Dreck stecken blieben. Ein verteufelt blutiges Hauen war das damals.«
In diesem Augenblick kam die Sonne hervor und beschien Erfensteins Gesicht. Erstaunt bemerkte Mathis, dass es Glück und Zufriedenheit ausstrahlte.
Er zieht in einen Kampf auf Leben und Tod, und er ist glücklich! , dachte er. Ich werde diese Ritter nie verstehen.
Mit einem klirrenden Geräusch näherte sich nun Hans von Wertingen, flankiert von vier Bewachern, dem mit Spießen abgesteckten Rund. Die Landsknechte hatten ihm die Ketten abgenommen und seinen verbeulten Brustpanzer und Rundhelm zurückgegeben. In der Hand trug er das gewaltige Breitschwert, das Mathis schon bei ihrer ersten Begegnung im Wald aufgefallen war. Beinahe andächtig sah sich der Raubritter um und bemerkte mit offensichtlicher Genugtuung die vielen Zuschauer, die nun begonnen hatten, um die provisorische Arena Platz zu nehmen.
»Ein würdiges Wetter für diese Zusammenkunft, findest du nicht?«, bemerkte Hans von Wertingen lächelnd zu seinem Gegner.
Schweigend stapfte Philipp von Erfenstein auf den Kreis zu, wobei seine Rüstung bei jedem Schritt leicht
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