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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schepperte. Die Panzerung war gut geölt und so blank poliert, dass sie in der Sonne blitzte. Dass der Vogt gestern noch lange gesoffen und höchstens ein paar Stunden geschlafen hatte, war ihm nicht anzumerken. Zwischen den verkaterten Landsknechten in ihren bunten Trachten, den wilden Bärten und ihren rostigen Piken und Arkebusen wirkte Philipp von Erfenstein wie ein Abgesandter aus einer anderen Welt. Die Soldaten beobachteten ihn teils bewundernd, teils spöttisch. Viele von ihnen waren nicht älter als Mathis; voll gepanzerte Ritter und Turniere kannten sie eigentlich nur noch aus den Geschichten ihrer Väter und Großväter. Einen ritterlichen Zweikampf hatte keiner von ihnen je gesehen.
    Als der Trifelser Burgvogt schließlich den Kreis erreicht hatte, verbeugte er sich leicht vor Wertingen, der diese Geste erwiderte. Es war, als sprächen sie in einer lautlosen Sprache zueinander, die nur sie beide verstanden. Eine gespannte Stille lag in der Luft.
    Plötzlich ertönte schwerfälliges Händeklatschen. Mathis sah hinüber zum Zelt des Grafen, aus dem dieser soeben trat. Friedrich von Scharfeneck applaudierte spöttisch den beiden Streitern, dann ließ er sich auf einem Klappschemel nieder.
    »Ein beeindruckendes Bild, fürwahr. Zwei Ritter in gegenseitiger Hochachtung«, sagte er mit selbstbewusster Stimme. »Erfenstein, ich bin erstaunt! Was veranlasst Euch, Euch vor einem Tier zu verbeugen?«
    »Es gibt gewisse Regeln, die eingehalten werden müssen«, erwiderte der Vogt barsch. »Aber um das zu verstehen, seid Ihr vermutlich zu jung.«
    »Mag sein. Zu jung und vor allem zu ungeduldig. Nun macht diesem Mummenschanz ein Ende und fangt endlich an.« Der Graf schüttelte ungläubig den Kopf. »Ein Abgesang auf die alten Zeiten! Schade, dass unser Barde das nicht sieht. Nun denn.« Er klatschte noch einmal in die Hände. »Wie heißt es doch so schön? Möge der Bessere gewinnen!«
    Die beiden Ritter erhoben ihre Schwerter, dann begannen sie sich schweigend zu umkreisen. Erst nach einigen Minuten machte Wertingen den Anfang, er stürmte nach vorne und ließ seinen Bihänder in einem weiten Bogen auf Erfenstein hinabrauschen. Der Burgvogt parierte, und eine Zeitlang blieben die Männer Kopf an Kopf stehen. Schweiß stand auf ihren Gesichtern, ihre muskulösen Arme zitterten; dann lösten sie sich wieder, und ein enttäuschtes Raunen ging durch die Menge. Wer einen kurzen, blutigen Kampf erwartet hatte, wurde eines Besseren belehrt.
    Aufmerksam beobachtete Mathis die beiden Ritter, die sich nun wie zwei hungrige Löwen umkreisten und abwechselnd Schläge austeilten, die der andere parierte. Da sie ohne Schild kämpften, musste jeder Hieb allein mit dem Schwertarm abgefangen werden – eine äußerst schmerzvolle und anstrengende Prozedur, die schnell zur Ermüdung führte. Hinzu kam der zähe Schlamm, der jeden Schritt doppelt mühsam machte.
    Der Kampf wogte hin und her, beide Männer schwiegen, nur das Klirren der Schwerter und ihr heftiger Atem waren zu hören. Die um das Rund sitzenden Landsknechte hatten mittlerweile Wetten abgeschlossen und feuerten ihren jeweiligen Favoriten an. Nur der Graf machte weiterhin einen gelangweilten Eindruck. Mathis beobachtete, wie er teilnahmslos auf seinem Schemel saß, nur wenn die Schlagfolge schneller wurde, zeigte sich ein Ausdruck der Befriedigung auf seinem Gesicht.
    Philipp von Erfenstein hatte Wertingen in der Zwischenzeit Schritt für Schritt bis an den Rand des Kreises getrieben. Der Raubritter wich zurück und bemerkte dabei nicht, dass hinter ihm eine der in den Boden getriebenen Lanzen steckte. Er stolperte, ruderte mit den Armen, schließlich stürzte er fluchend in den Schlamm; erst im letzten Augenblick hielt er sein Schwert in die Höhe, um den Schlag seines Gegners abzufangen.
    Ganz plötzlich warf sich Wertingen zur Seite, wobei er seine eigene Klinge wie eine Sichel über den Boden fahren ließ. Die Menge schrie auf, als das Breitschwert den Burgvogt klirrend am Bein traf. Philipp von Erfenstein taumelte, dann fiel auch er zu Boden.
    Mathis hielt entsetzt den Atem an. Ein gestürzter Ritter in voller Panzerung war praktisch verloren. Selten schafften es die Männer, ohne fremde Hilfe wieder aufzustehen, zu schwer war ihre Rüstung. Wie fette Maikäfer lagen sie dann auf dem Rücken und konnten von ihren Gegnern mühelos abgestochen werden.
    Mit seinem leichten Brustharnisch war es Wertingen hingegen ein Leichtes, sich wieder zu erheben. Er rappelte sich

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