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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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beinahe väterlich auf Agnes herab. »Ihr seid ein schönes Kind, und ich …«
    »Verzeiht, Exzellenz, aber ich fürchte, Eure Komplimente werden noch ein wenig warten müssen«, unterbrach ihn Agnes, während sie sich weiter unter den Bauern und Landsknechten auf dem Schlossacker umsah. »Zunächst wüsste ich gerne, wo Mathis ist. Ich kann ihn nirgendwo entdecken.«
    »Ah, Euer so herzlich vermisster Spielkamerad.« Friedrich von Scharfeneck schwieg eine Weile, dann lächelte er schließlich süß-säuerlich. »Nun, ich muss Euch enttäuschen, Jungfer. Aber der junge Schmied trinkt lieber mit seinesgleichen billigen Branntwein in der Stadt, als sich mit Euch abzugeben. Als ich ihn das letzte Mal sah, war er mit einem ganzen Haufen meiner Landsknechte unterwegs nach Annweiler. Wie ich hörte, sind sie auf der Suche nach willigen Dirnen.«
    Einen Moment lang hatte es Agnes die Sprache verschlagen. Scharfeneck nutzte die Pause, um fortzufahren.
    »Ihr müsst es ihm nachsehen«, sagte er milde. »Er ist nun mal ein Mann aus einfachem Haus. Da amüsiert man sich gerne mit Wein, Weib und Gesang. Die Dirnen werden ihm seine Verbände abnehmen und ihn auf ihre Art … kurieren.«
    Schier ohnmächtig vor Wut wandte sich Agnes ab und stapfte hinauf zur Burg. Wie durch eine Wand hindurch hörte sie hinter sich die aufbrausende Stimme des Grafen.
    »Zum Teufel auch, hat Euch Euer Vater kein Benehmen bei­gebracht!«, schrie er. »Wie könnt Ihr es wagen, einfach zu gehen! Ihr geht erst dann, wenn ich, der Graf von Löwenstein-Scharfeneck, es Euch befehle, verstanden! Aber das wird bald ein Ende haben, das schwöre ich Euch! Ich bin Eure Marotten leid, Vogtstochter!«
    Die Stimme des Grafen wurde leiser, während Agnes die Treppen zur Burg hinaufstieg. Der Zorn machte sie blind und taub. Sie hatte sich wirklich Sorgen um Mathis gemacht, ja, sie hatte gebangt, als sie von seinen Verletzungen erfuhr. Als sie ihm vor seiner Abreise das selbstgeschnitzte Amulett zugesteckt hatte, war sie wirklich davon überzeugt gewesen, dass auch er etwas für sie fühlte. Und nun hatte er nichts Besseres zu tun, als sich mit Huren und Säufern in Annweiler herumzutreiben! Die Männer waren doch alle gleich, es war am besten, sich mit keinem von ihnen einzulassen!
    In ihrem Zorn marschierte sie bis nach vorne zum Tanzfelsen, dem steilen südlichen Ende des Trifels, das sie immer dann aufsuchte, wenn sie allein sein wollte. Schwer atmend ließ sie ihren Blick über den Wasgau, über die benachbarten Burgen, Dörfer und Äcker schweifen und spürte, wie sie langsam zur Ruhe kam. Ihr letzter Traum fiel ihr wieder ein. An genau dieser Stelle war Johann von Braunschweig mit dem Kind in die Tiefe gestiegen, während die Pfeile auf sie niederprasselten.
    Wer bin ich in diesem Traum gewesen?
    So in Gedanken versunken war sie, dass sie überhaupt nicht bemerkte, wie jemand leise hinter sie trat. Erst als sich eine faltige Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie mit einem leisen Schrei zusammen. Es war Pater Tristan, das Gesicht grau vor Gram.
    »Ich habe dich schon überall gesucht, Agnes«, sagte er, und sie spürte, dass seine Hand leicht zitterte. »Es geht um deinen Vater.«
    Agnes fasste sich an die Stirn. Wie hatte sie in ihrem Ärger wegen Mathis nur ihren Vater vergessen können! Sorgenvoll wandte sie sich Pater Tristan zu.
    »Die Verletzungen?«, fragte sie leise. »Sind sie … sind sie schwer?«
    Pater Tristan seufzte. »Ich muss sagen, dass ich ein wenig ratlos bin. Ich habe die Wunden erst heute früh eigenhändig gereinigt und verbunden. Sie sind nicht besonders tief, und ich dachte, dass sie gut verheilen würden. Aber nun …«
    »Dann hat Graf Scharfeneck also recht gehabt, und es ist das Wundfieber?«, fuhr Agnes aufgeregt dazwischen. Doch der Mönch schüttelte den Kopf.
    »Ich habe die Verbände gerade abgenommen und mir die Wunden angesehen. Sie sind sauber. Aber ich gebe wohl zu, dass dein Vater den Eindruck macht, es wäre Wundfieber.«
    »Den Eindruck?« Agnes runzelte die Stirn. »Wie soll ich das verstehen?«
    Pater Tristan sah sich vorsichtig um, dann senkte er die Stimme. »Was ich dir jetzt sage, muss unter uns bleiben«, flüsterte er, »verstehst du? Es kann mich sonst den Kopf kosten.«
    Als Agnes nickte, fuhr er leise fort: »Dein Vater hat Fieber und Schüttelfrost, sein Herz rast, und seine rechte Seite weist Lähmungen auf. Außerdem spricht er selbst von einem Prickeln auf den Lippen und der Zunge. Das alles sind

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