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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wurden zu Stunden, schließlich drückte Agnes ihrem toten Vater einen letzten Kuss auf die Stirn, dann beschloss sie, nach dem Mönch Ausschau zu halten. Vieles gab es zu besprechen, noch nie hatte sie seines Rats so dringend bedurft. Sie glaubte nun zu wissen, warum ihr Va­ter hatte sterben müssen, aber sie hatte keine Ahnung, was ihr dieses Wissen nutzte. Den Übeltäter zur Rechenschaft ziehen konnte sie deshalb noch lange nicht. Mehr noch: Vermutlich war ihr Wissen für sie weniger ein Segen als eine Be­drohung.
    Leise schloss Agnes die Tür und begab sich hinüber zur Kapelle im alten Burgturm. Dort betete der Zisterziensermönch um diese frühe Zeit vermutlich die Laudes. Als sie ihn dort nicht antraf, stieg sie die steilen Stufen hinauf zur Biblio­thek. Vielleicht ging Pater Tristan dort oben die Listen mit den wenigen Besitztümern des Vogts durch, die nun Agnes gehören würden.
    Erleichtert stellte sie fest, dass hinter der Tür zur Bibliothek das Rascheln von Seiten zu hören war. Agnes drückte die Klinke, doch sie prallte zurück, als sie sah, wer auf dem Sessel hinter dem breiten Schreibtisch Platz genommen hatte.
    Es war Graf Scharfeneck, der in einigen alten Pergamentrollen und Büchern las und nun interessiert aufblickte. Augen­blicklich ließ der Hass Agnes’ Herz zu Stein erstarren, eine unsichtbare Hand umklammerte ihre Kehle.
    Mörder …
    »Ah, welche Freude, Euer Gesicht hier zu sehen«, begrüßte der Graf sie lächelnd und deutete auf die vor ihm liegenden Unterlagen. Er schien sich nicht im Geringsten ertappt zu fühlen. »Man hat mir ja bereits gesagt, dass Ihr gerne lest. Eine wirklich interessante Sammlung alter Bücher, die Ihr da …«
    »Was … was macht Ihr in der Trifelser Bibliothek?«, fuhr Agnes keuchend dazwischen.
    Friedrich von Scharfeneck hob in einer entschuldigenden Geste die Hände. »Verzeiht, dass ich mich nicht vorher angekündigt habe. Aber Euer Vater gab mir noch in Ramberg die Erlaubnis, hier ein wenig zu stöbern. Ich dachte, es ist besser, ihn nicht zu stören.« Er spielte mit der goldenen Kette, die um seinen Hals hing. »Aber wir können ihn gerne fragen. Wie ist denn sein Befinden?«
    »Er ist tot«, unterbrach ihn Agnes barsch. Ihre Lippen waren zwei schmale Striche, sie musste aufpassen, dass ihre Stimme nicht brach. »Der Trifelser Burgvogt Philipp Schlüchterer von Erfenstein ist just in dieser Stunde gestorben. War es das, was Ihr gewollt habt?«
    Schweigend lehnte der Graf sich zurück und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Eine Weile sagte keiner etwas.
    »Dass Euer Vater tot ist, tut mir leid«, erwiderte er schließlich. »Aber verzeiht, dass ich nicht in Tränen ausbreche. Er hätte diesen letzten Kampf nicht führen müssen.«
    »Es war nicht der Kampf, der ihn umgebracht hat.«
    Scharfenecks Kopf stieß wie der einer Schlange nach vorne. Seine Augen verbreiteten ein drohendes Funkeln. »Ach, und was war es dann?«
    »Es war ein Gift. Vermutlich Eisenhut. Und Ihr habt es ihm gegeben! Ihr !« Agnes hatte die letzten Worte nicht sagen wollen, aber als sie den Grafen so selbstgefällig vor sich sitzen sah, war es plötzlich aus ihr herausgebrochen.
    Friedrich von Scharfeneck musterte sie lange, während nur das Prasseln der Holzscheite im Kamin zu hören war. Schließlich lachte er leise, es klang wie das süße Klingeln einer Glocke. »Das hat Euch dieser greise Mönch erzählt, nicht wahr? Und Ihr glaubt es.«
    »Ich kenne mich selbst gut genug mit Kräutern aus, um das festzustellen«, entgegnete Agnes kühl. Sie erinnerte sich, dass Pater Tristan sie gebeten hatte, Stillschweigen zu bewahren. Auf keinen Fall durfte der Verdacht auf ihn fallen! Der Graf würde sonst sicher Mittel und Wege finden, ihren Lehrmeister aus dem Weg zu räumen.
    »Zittern, Herzrasen, der stockende Atem, die Versteifung des Körpers«, zählte sie auf. »Das war kein Wundfieber, das war kaltblütiger Mord! Und Ihr …«
    In einer heftigen Bewegung schob Friedrich von Scharfeneck die Bücher und Pergamentrollen vom Tisch und richtete sich drohend im Sessel auf. In seinem engen spanischen Wams mit dem hohen Kragen, mit dem schütteren Haar und dem blassen Gesicht sah er aus wie ein böser Engel. Es war, als würde plötzlich ein eiskalter Wind durch die Bibliothek wehen.
    »Was Ihr hier in diesen vier Wänden gackert, schert mich nicht weiter«, zischte er. »Aber solltet Ihr der Welt dort draußen verkünden, ich hätte Euren Vater auf dem Gewissen, dann schwöre

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