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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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blinzelte er nur vorsichtig, jetzt stach es nicht mehr ganz so heftig. Er vernahm nun auch das Murmeln von Stimmen. Durch die Augenschlitze hindurch sah er über sich grün belaubte Äste. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es die alte Tanzlinde vor dem Wirtshaus zum Grünen Baum war. Neugierige Gesichter schoben sich in sein Blickfeld, sie bildeten einen Kreis um ihn, irgendjemand stieß ihn mit dem Fuß an.
    »Ich glaube, er kommt zu sich«, sagte eine brummige Stimme.
    »Vorsichtig, um Himmels willen! Wer weiß, zu was der noch fähig ist«, erwiderte eine zweite Stimme, die offenbar einer ängstlichen Frau gehörte.
    Mathis stöhnte, dann schob er sich langsam am Stamm der Linde empor, bis er endlich aufrecht saß. Ihm war flau im Magen, er hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Mit der Hand schirmte er sein Gesicht gegen die grelle Sonne ab und blickte sich stirnrunzelnd um. Etwa zwei Dutzend Annweiler Bürger umringten ihn, die meisten von ihnen glotzten mit einer Mischung aus Neugier, Furcht und Abscheu auf ihn herab. Unter den vielen Leuten erkannte Mathis auch einige der Stadtwachen. Es mochte bereits früher Vormittag sein.
    Was in Gottes Namen ist geschehen? , dachte er, während sein Kopf dröhnte wie eine Kirchturmglocke.
    Dann fiel ihm der Schnaps von gestern Abend ein, der Wein, das Bier … Er hatte mit vielen Mädchen getanzt, besonders mit dieser einen Rothaarigen, die ihm immer wieder zwischen die Beine gelangt hatte. Er erinnerte sich, dass er auf dem Tisch gestanden und lauthals gesungen hatte, Menschen hatten ihm auf die Schulter geklopft und zugeprostet. Dann war ihm irgendwann schlecht geworden, und die Erinnerung setzte aus.
    »He!« Einer der Stadtwachen rüttelte ihn heftig, und sofort wurde Mathis wieder schlecht. »Wach auf, Bursche! Wir haben mit dir zu reden!«
    Er schluckte den Brechreiz runter und wischte sich über den Mund. »Was … was wollt ihr von mir?«, fragte er schwach.
    Der Büttel lachte grimmig. »Was wir von dir wollen? Nun, dass du uns erklärst, was du mit dem Stadtvogt angestellt hast, du feiger Mörder.«
    » Mörder …?«
    Augenblicklich war Mathis hellwach. Er rappelte sich auf und starrte, noch immer an die Linde gelehnt, auf die Menschenmenge, die ihn glotzend umringte. Jetzt erkannte er auch einige der Annweiler Stadträte. Der reiche Wollweber Peter Markschild war darunter, der Seiler Martin Lebrecht und auch der Apotheker Konrad Sperlin, der ihn besonders feindselig zu mustern schien. Es war schließlich der beleibte Annweiler Pfarrer Pater Johannes, der hervortrat und das Wort an ihn richtete.
    »Mathis Wielenbach«, sagte er mit fester Stimme, während er mit seinen kleinen feisten Fingern ein hölzernes ­Kruzifix knetete. »Wir klagen dich an, gestern Nacht unseren Stadtvogt Bernwart Gessler mit Hilfe deiner unseligen Feuerrohre feige ermordet zu haben. Bekennst du dich schuldig?«
    »Aber … aber das ist doch Unsinn!«, erwiderte Mathis und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. »Warum hätte ich das tun sollen?« Er versuchte, trotz seiner starken Kopfschmerzen einigermaßen klar zu denken.
    »Warum?«, zischte der Apotheker Sperlin. »Das weißt du nur zu gut. Weil der Gessler dich einsperren wollte wegen Aufrührerei!« Er sah sich ein wenig unsicher um, bevor er weitersprach. »Äh, ich selbst habe den Herrn Vogt gestern Nacht noch gesehen, wie er auf dem Weg zum ›Grünen Baum‹ war, um dich zur Rede zu stellen. Und heute Morgen finden wir seine Leiche bestialisch zugerichtet! Der Zusammenhang ist offensichtlich!«
    »Bestialisch zugerichtet?« Mathis sah ratlos in die Runde.
    »Es ist wohl am besten, wenn wir ihn dorthin bringen, wo wir den Vogt gefunden haben«, schlug der Wollweber Markschild nun vor und sah sich nach den anderen Ratsmitgliedern um. »Vielleicht bringt ihn der entsetzliche Anblick ja dazu, seine Tat zu gestehen.«
    Pater Johannes nickte, und sofort packten zwei der Stadtwachen Mathis an der Schulter und schoben ihn durch die engen Gassen. Die Menge folgte ihnen wie ein großes zischendes Tier, lärmende Kinder und kläffende Hunde liefen voraus. Verzweifelt sah sich Mathis nach seinen Kameraden um, dem Geschützmeister Ulrich Reichhart und den Trifelser Burgmannen Gunther und Eberhart, konnte sie aber in dem Trubel nirgendwo entdecken.
    Schließlich gelangten sie zur Brücke nahe der Stadtmühle, wo zwei weitere Büttel grimmig und mit erhobenen Spießen vor einem verschlossenen

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