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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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du dem Blutsauger endlich das Licht ausgeblasen hast«, flüsterte er. »Willkommen in unserem Haufen, Waffenschmied.«
    Mathis schwieg. Er blickte hinüber zum Schäfer-Jockel, der lächelnd über die Dächer wies, wo sich hinter der Stadtmauer das schwarze Band des Waldes ausbreitete.
    »Wir werden jeden Tag mehr, Mathis«, sagte der Jockel mit einem Funkeln in den Augen. »Bauern und Knechte, aber auch Gerber, Weber, Schäfer, Schinder und entlaufene Mönche. Das ganze Reich ist ein Pulverfass mit brennender Lunte. Wir leben in den Wäldern und warten auf den Tag, an dem wir end­lich zuschlagen. Wirst sehen, es wird nicht mehr lange dauern. Die Macht der Ritter, Pfaffen, Fürsten und Herzoge, sie hat endlich ein Ende!« Er senkte seine Stimme und blickte in die Runde, als stünde er vor einem großen Publikum. »Ich habe lange geglaubt, es würde mit Hilfe der Bürger gehen. Aber ihr habt ja gesehen, wohin das führt. Nun müssen wir einfachen Leute unser Schicksal eben selbst in die Hand nehmen!«
    »Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?«, flüsterten die beiden Bauern im Chor, es klang wie ein Gebet. Und auch der alte Geschützmeister Ulrich Reichhart nickte zustimmend.
    »Du hast recht gehabt, Mathis, als du vorher meintest, die alten Zeiten seien zu Ende«, sagte er und klopfte Mathis dabei väterlich auf die Schulter. »Neue Zeiten kommen, und da werden sie zwei Geschützmeister wie uns gut gebrauchen können. Der Trifelser Burgvogt war ein guter Herr, aber von denen gibt es zu wenige. Sorgen wir also dafür, dass wir unsere eigenen Herren werden.«
    Wieder ging Mathis’ Blick hinüber zum Wald. Wie viele von ihnen mochten dort drüben warten, bewaffnet mit Sensen, Sauspießen und Dreschflegeln? Hundert? Zweihundert? Vielleicht sogar mehr? Es war das, was er sich immer gewünscht hatte. Trotzdem wurde ihm seltsam schwer ums Herz. Es schien, als wäre ihm erst jetzt klargeworden, dass sie sich ihre Rechte erkämpfen mussten. Mit Schweiß, Tränen und mit Blut. Viel Blut. Er dachte an den ersten Schuss im Wald, damals aus der gestohlenen Hakenbüchse, der donnernde Schuss, der den Mann vor ihm in ein zerfetztes Bündel Fleisch verwandelt hatte.
    Neue Zeiten kommen.
    Erwartungsvoll sahen ihn der Schäfer-Jockel und die beiden Bauern an.
    »Was zögerst du?«, fragte Jockel argwöhnisch. »Willst du etwa wieder zurück in die Dörrkammer und dich morgen von den fetten Pfeffersäcken aufhängen lassen?«
    Mathis schüttelte den Kopf. Habe ich eine Wahl? , dachte er. Dann eilte er den anderen vier Männern hinterher, die über Annweilers schmalen Gassen von Dach zu Dach sprangen, der Stadtmauer entgegen.
    Der Wald erwartete sie schweigend, wie eine Reihe grimmiger, zu allem entschlossener Soldaten.
    Zweites Buch

    Der Sturm
    April bis Juni 1525

KAPITEL 14
    Festung Pizzighettone am Rande
der italienischen Po-Ebene,
5. April, Anno Domini 1525
    ranz I., König von Frankreich, Spross aus dem mächtigen Hause Valois, Herrscher über ein Land vom Atlantik bis zum Mittelmeer, stand am Fenster seiner Zelle und weinte wie ein Kind.
    Er tat dies lautlos, damit die vier Wächter vor seiner Tür keinen Grund zum Spott hatten; es waren Tränen des Zorns, die ihm warm über das Gesicht rannen. Am liebsten hätte er die luxuriöse Einrichtung seines Kerkers zerschlagen – den seidenen Paravent, den Tisch aus feinstem Nussholz mit Elfen­beinintarsien, den mit Damast bespannten Stuhl und den silbernen Käfig mit zwei Stieglitzen, die man ihm zu seiner Erbauung gelassen hatte –, doch das ziemte sich nicht für einen König. Selbst als Gefangener galt es für einen Herrscher, Haltung zu bewahren.
    Auch dann, wenn einige der treuesten Freunde Frankreichs vor seinen Augen soeben enthauptet wurden.
    Mit schmalen Lippen blickte Franz nach unten auf den Schlosshof, wo sich der Chevalier Guy de Montagne in den Staub knien musste. Mit seinen dreißig Jahren war der Ritter im selben Alter wie sein König, Franz kannte ihn von etlichen Turnieren und von der Jagd. Montagne war ein guter Kämpfer und ein noch besserer Geschichtenerzähler, der Franz so manche Stunde glänzend unterhalten hatte. Nun ging der Blick des Ritters ein letztes Mal hinauf zu seinem Herrscher. Franz schenkte ihm einen kurzen Wink, dann rollten die Trommeln, und der Henker trat mit seinem langen Richtschwert hervor. Er hob es empor, und die Klinge blitzte so gleißend in der Mittagssonne, dass Franz einen Augenblick lang blinzeln musste. Als

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