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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Franz vernahm leise Schritte, die über das Parkett schlurften. Waren sie nun gekommen, um ihn zu holen? Würden sie das wagen? Ihn, den französischen König, zu enthaupten? Franz verweilte kniend im Betstuhl und verfluchte sich selbst für das Zittern, das sich wie ein Fieber über seinen ganzen Körper ausbreitete.
    »Es freut mich, meinen Bruder im Geiste ins Gebet vertieft zu sehen. Auch wenn ich nicht weiß, ob er für die gesamte Christenheit oder nur für sein alleiniges Seelenheil betet.«
    Die Stimme sprach ein elegantes Französisch, so wie es in der Gegend von Burgund und am Hofe üblich war. Franz wusste sofort, wem sie gehörte, obwohl er den Mann selbst bislang nur von Gemälden her kannte. Er wandte sich um und sah, dass der deutsche Kaiser mittlerweile ganz nahe an ihn herangetreten war. Karl V. war einige Jahre jünger als Franz, er trug ein rotes Wams mit blauen Streifen, seine Hände waren in feinste Samthandschuhe gehüllt. Die hervorquellenden Augen und der leicht vorgestreckte Unterkiefer gaben ihm das Aussehen eines gierigen jungen Raubfischs.
    »Die Freude ist ganz meinerseits.« Franz stand aus dem Bet­stuhl auf und verbeugte sich leicht, gerade so, dass er seinem Gegenüber nicht zu viel Respekt zollte. Trotz ihrer Jugend waren sie beide die mächtigsten Männer der bekannten Welt.
    »Wir hätten uns schon viel früher treffen sollen«, sagte der Kaiser. »Dadurch wären uns viele Tote erspart geblieben. Schließlich sind wir alle eine große Familie, nicht wahr? Brüder im Geiste.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Aber Ihr trefft Euch ja lieber mit dem englischen König. Ich hätte Euch gleich sagen können, dass auf meinen Onkel kein Verlass ist.«
    Franz zuckte zusammen. Tatsächlich hatte Heinrich VIII. in der Auseinandersetzung zwischen ihm und Karl elegant die Seiten gewechselt, und das, obwohl Franz den englischen Herrscher noch vor ein paar Jahren in einem prächtigen Zeltlager ganz aus Goldbrokat empfangen hatte. Wie zwei Brüder hatten sie sich damals im Bogenschießen und im Ringkampf gemessen. Der schnöde Verrat machte Franz immer noch zu schaffen.
    »Ich fürchte, in der Politik gibt es weder Onkel noch Brüder«, erwiderte der französische König achselzuckend. »Nur Interessen.«
    Karl nickte. »Wohl wahr, wohl wahr.«
    Eine Weile sagte keiner etwas, von fern war das Läuten einer Kirchenglocke zu hören. Schließlich ergriff Karl V. erneut das Wort.
    »Es tut mir leid um Eure drei Ritter«, sagte er leise. »Aber Ihr werdet verstehen, dass Wir ein Zeichen setzten mussten. Der deutsche Kaiser lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen.«
    »Sie sind tapfer gestorben. Gott wird sich ihrer annehmen.«
    Unauffällig musterte Franz den Kaiser. Sein Gegenüber war blass und von der Statur her eher klein und unscheinbar. Kein Vergleich zu seiner eigenen stattlichen, ritterlichen Erscheinung. Trotzdem war Karl spätestens seit der Schlacht von Pavia der unumstrittene Herrscher in Europa, während Franz sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben musste. Alle Versuche, dies zu ändern, waren bislang im Sande verlaufen.
    Selbst der letzte, der zunächst so aussichtsreich erschien , dachte er. Wir waren so nahe dran!
    »Es heißt, der Kaiser liebt das Zeremoniell«, begann der französische König stockend. »Dieses schlichte Zusammentreffen kommt für mich etwas überraschend. Ich hätte erwartet, Euch auf dem Thron in Toledo oder Valladolid anzutreffen. Dass Ihr den weiten Weg nach Italien auf Euch genommen habt, ehrt mich.«
    Karl winkte ab. »Die Geste der Unterwerfung kommt noch früh genug, und auch die Liste unserer Forderungen. Aber das, was ich Euch zu sagen habe, ist wichtig genug, um es zunächst unter vier Augen zu besprechen. Ihr gestattet?« Er deutete mit einer galanten Geste auf zwei der damastbezogenen Stühle im Vorraum. Nachdem sie dort Platz genommen hatten, griff der Kaiser nach einer Weinkaraffe und schenkte ihnen beiden ein. Er schien sich zu sammeln, erst nach einer Weile fuhr er fort.
    »Zunächst möchte ich Euch mein Beileid aussprechen für die erlittene Niederlage in Pavia«, murmelte Karl und knetete währenddessen seine behandschuhten Finger. »Ach ja, und auch für den Tod Eurer Frau Claude, die letzten Sommer von uns gegangen ist.«
    »Danke, Ihr seid zu gütig.« Franz nickte zögerlich. Es war ihm schleierhaft, was der junge Kaiser mit der Erwähnung seiner verstorbenen Frau bezweckte. Schon kurz nach seinem letzten Besuch im Juni vergangenen

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