Die Burg der Könige
Agnes dazwischen. Lange hatte sie nur zugehört, doch jetzt war sie mit ihrer Geduld am Ende. Zornig klappte sie ihr Buch zu und setzte sich aufrecht hin. »Euer Sohn hat nicht nur mich, sondern auch den Trifels geheiratet. Und ich glaube kaum, dass er die Burg an Euren Hof mitnehmen kann, werter Schwiegervater «, fügte sie spöttisch hinzu.
Der alte Graf warf ihr nur einen kurzen Seitenblick zu, dann wandte er sich wieder an seinen Sohn. »Friedrich, sag deinem Weib, es soll gefälligst schweigen, bis es gefragt wird! Ich an deiner Stelle hätte ihr schon längst das Lesen verboten. Das macht die Frauen nur frech und ungehorsam.«
»Es macht sie vor allem klug«, erwiderte Agnes. »Deshalb weiß ich auch, dass Euer Sohn niemals auf den Trifels verzichten wird. Nicht ehe er nicht all seine Geheimnisse ergründet hat.«
»Halt den Mund!«, herrschte Friedrich sie an. »Sonst lasse ich dich einmal mehr in deine Kammer einsperren!«
»Allemal besser, als im Bett eines schwindsüchtigen Tyrannen zu versauern.« Trotzig verschränkte Agnes die Arme vor der Brust.
Der junge Graf hatte zwar ein paarmal versucht, sich ihr nachts zu nähern, doch jedes Mal hatte sie ihn mit heftigen Worten an ihre damalige Abmachung erinnert. Agnes wusste: Niemals im Leben würde sie mit dem mutmaßlichen Mörder ihres Vaters das Bett teilen. Bald darauf hatte Scharfeneck aufgegeben, seitdem vergnügte er sich mit der einen oder anderen Gespielin unter seinen Mägden.
»Ha, und solche Sprüche lässt du dir gefallen?«, höhnte nun Ludwig. »Ich an deiner Stelle hätte ihr schon längst den Arsch versohlt.«
Der junge Graf wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblick ertönte vom Treppenaufgang her ein Klirren und Scheppern. Es war der junge Diener, der mitsamt dem Tablett auf den glatten Stufen ausgerutscht war. Der mit Halbedelsteinen verzierte Pokal rollte Friedrich direkt vor die Füße, eine helle Lache breitete sich aus. Die Lippen des jungen Grafen wurden zwei schmale Striche, dann ertönte seine Stimme, so leise und schneidend wie immer, wenn er besonders wütend war.
»Du … du ungeschickter Tollpatsch!«, zischte er. »Dafür hetze ich die Hunde auf dich, die Haut zieh ich dir in Streifen ab. Du wirst dir noch wünschen …«
»Ich hole neuen Wein für unseren Gast«, fuhr Agnes dazwischen. »Das geht am schnellsten.« Sie stand von ihrem Platz an der Fensternische auf und ergriff den am Boden liegenden Pokal. Geschwind schob sie den vor Angst zitternden Diener nach draußen. »Ich bin sicher, die Herren kommen auch gut ohne meine Gesellschaft aus.«
Bevor ihr Mann etwas erwidern konnte, war sie mit dem Dienstboten bereits im Treppenturm verschwunden.
»Da- … Danke, Herrin«, flüsterte der junge Diener. Er mochte nicht mehr als dreizehn Jahre zählen. »Wie kann ich Euch …«
»Geh raus in den Hof und füttere meinen Falken«, erwiderte Agnes lächelnd. »Aber lass die Futterschüssel nicht fallen, sonst hackt dir Parcival die Finger ab. Er kann mindestens ebenso zornig werden wie mein Gemahl.«
Sie sah zu, wie der Knabe erleichtert dem Ausgang zustrebte, dann machte sie sich auf den Weg hinunter in die Küche.
Während Agnes durch die niedrigen, mit dicken Teppichen behangenen Gänge schritt, musste sie daran denken, wie sich ihr Leben in den letzten Monaten verändert hatte. Die Hochzeit hatte noch im Juli drüben in der Trifelser Burgkapelle stattgefunden, das Fest selbst war überaus bescheiden ausgefallen. Nur etwa fünfzig Gäste waren geladen gewesen, darunter viele niedere Adlige, die dem Grafen hörig waren. Sie hatten sich spöttisch in den feuchten, modrigen Räumen umgesehen. Seitdem hatte Agnes den Trifels nur noch selten besucht.
Friedrich hatte ihr auf Burg Scharfenberg einen goldenen Käfig gebaut, ihr einen Haufen Bücher gekauft und ihre Kemenate mit Damast und Seide ausschlagen lassen. Agnes trug die feinsten Kleider und den wertvollsten Schmuck, das Essen wurde von einer Heerschar Diener auf silbernen Tellern serviert. Sie war nun keine einfache Vogtstochter mehr, sondern eine leibhaftige Gräfin; ihre ehemalige Zofe Margarethe wäre vor Neid gestorben. Und doch fühlte sich Agnes manchmal so erstarrt wie eine Fliege in einem Stück Bernstein, die Tage vergingen wie im Nebel. Noch immer schnürte ihr die Trauer um ihren verstorbenen Vater das Herz zu.
Und auch die Träume waren verschwunden.
Seitdem Agnes den Trifels verlassen hatte, waren der junge Ritter Johann von Braunschweig
Weitere Kostenlose Bücher