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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wurde«, befahl Friedrich tonlos. »Vielleicht mundet meinem Vater trotz der Kälte ein kühler Weißer eher als dieses schwere Pfälzer Blut. Auch wenn ich das bei seinen Gliederschmerzen bezweifle. Aber er ist ja alt genug, um das selbst zu beurteilen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung zur Tür. »Der Wein steht unten in der Küche. Nun geh schon – oder muss ich dir erst Beine machen?«
    Der Knabe nickte und eilte von dannen. Wieder senkte sich über den großen Saal eine Stille, die Agnes mehr frösteln ließ als die ungewöhnliche Kälte draußen. Obwohl es bereits Anfang April war, hatte der Winter noch einmal zugeschlagen, ganz so, als wollte er seine Niederlage dieses Jahr nicht akzeptieren. Seit einer knappen Stunde schon saß Agnes am Fenster, starrte hinaus in das dichte Schneetreiben und blätterte gelegentlich im »Parcival«, einem auf Papier gedruckten Werk des Dichters Wolfram von Eschenbach, das sie sich für teures Geld aus Worms hatte kommen lassen. Die ganze Zeit über hatte der alte Reichsgraf kaum ein Wort mit ihr oder seinem Sohn gewechselt. Stattdessen hatte er sich über dampfende Wildpasteten, Kapaun, Wachteleier und nach Honig duftende Kuchen hergemacht, nur unterbrochen von kurzen gebellten Befehlen, bis der nächste Gang aufgetragen wurde.
    Friedrichs Verhältnis zu seinem Vater war seit Monaten zutiefst zerrüttet. Der Alte hatte seinem Sohn nie verziehen, dass Friedrich eine einfache Vogtstochter geheiratet hatte und in eine zugige Burgruine gezogen war. Zwar hatte sich Burg Scharfenberg in den letzten Monaten erheblich verändert – Mauern waren ausgebessert, feuchte Stellen neu verputzt und morsches Holz durch frische Eichenbalken ersetzt worden –, doch für Ludwig I. von Löwenstein-Scharfeneck, immerhin ein, wenn auch illegitimer, Sohn des ehemaligen Pfälzer Kurfürsten, musste die alte Reichsburg trotz allem wie eine etwas bessere Hütte wirken. Er hatte Friedrich, das jüngste seiner fünf noch lebenden Kinder, lange Zeit gewähren lassen in der Hoffnung, er würde sich irgendwann die Hörner abstoßen. Doch nun schien dem Alten langsam der Geduldsfaden zu reißen.
    Agnes sah sich in dem neu gestalteten Rittersaal um und versuchte sich an die Zeiten zu erinnern, als ihr Vater noch im benachbarten Trifels residiert hatte. Eine Ewigkeit schien das nun her zu sein, dabei war seit Erfensteins mysteriösem Tod noch kein Jahr vergangen; auf den heißen Sommer waren ein kühler Herbst und ein klirrend kalter Winter gefolgt. Frische Pelze und Gobelins hingen an den Wänden des Saals, in den Ecken standen mit Silber beschlagene Truhen und polierte Zierrüstungen, ein ausgestopfter Keilerkopf starrte neben ­einer Reihe prunkvoller Geweihe auf Agnes herunter. Den größten Platz nahm ein gewaltiger frisch gezimmerter Tisch aus Birnenholz in der Mitte des Raums ein, an dem ganz Camelot hätte Platz nehmen können. Doch meist saß hier nur der junge Graf und brütete über alten Karten und Büchern. Den legendären Normannenschatz hatte Friedrich noch immer nicht gefunden, und das, obwohl er die halbe Gegend umgegraben hatte. Das ständige Hoffen und Warten hatte ihn dabei immer gereizter gemacht. Ein Zustand, den der plötzliche Besuch seines Vaters nicht eben verbesserte.
    »Bei uns auf Löwenstein trinken wir Tokajer und Burgunder«, meldete sich Ludwig von Löwenstein-Scharfeneck nun zu Wort, während er mit den Fingern Fleischfetzen zwischen den Zähnen hervorpulte. »Leuchtenden Burgunder, für dreißig Gulden das Fass! Der herzogliche Hof beehrt uns beinahe wöchentlich mit Besuchen! Und was macht mein Sohn? Vergräbt sich im dunklen Wald und sucht nach Schätzen wie ein kleiner Bub! Seit Jahren geht das nun schon so. Wie lange soll ich mir deine Träumereien noch gefallen lassen?« Er spuckte in die Binsen. »Pah! Am Heidelberger Hof zerreißen sie sich schon das Maul wegen dir.«
    »Ist das der Grund, warum du hergekommen bist?«, gab Friedrich zurück. »Um mir das mitzuteilen? Dafür hätte auch ein Bote gereicht.«
    »Ich bin hier, um dir ins Gewissen zu reden. Deine Mutter weint sich die Augen aus, weil ihr Jüngster offensichtlich den Verstand verloren hat.« Ludwig seufzte und sah seinen Sohn aus wässrigen Augen eindringlich an. »Ich habe mit dem Herzog geredet, Friedrich. Wir können diese leidige Hochzeit jederzeit rückgängig machen. Meinetwegen nimm dieses Weib als Kebse, doch …«
    »Verzeiht, Euer Gnaden, aber da Ihr schon von mir, der Kebse , redet …«, fuhr

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