Die Burg der Könige
mal im Heu getollt? Hast du sie auf ihre harten Nippel geküsst, hä?«
»Unsinn«, erwiderte Mathis und bemühte sich, weder dem Jockel noch Agnes in die Augen zu blicken. »Wir … wir kennen uns, das ist alles.«
Die Männer waren nun ganz still. Erwartungsvoll beobachteten sie den Streit ihrer beiden Anführer.
Schließlich nickte der Jockel verständnisvoll. »Wenn du es sagst. Dann wirst du auch sicher nichts dagegen haben, dass wir die allerdurchlauchtigste Gräfin jetzt ins Loch stecken. Der Bauernrat soll noch heute Abend entscheiden, was mit ihr zu geschehen hat.« Er wandte sich mit lauter Stimme an die Umstehenden, sichtlich angewidert deutete er dabei auf Agnes. »Männer, seht euch diese Kebse an. Jetzt mag sie ganz unschuldig tun, doch ihr Gemahl ist einer der größten Schinder in der Pfalz! Seine Landsknechte haben unsere Felder verheert, seine Vögte pressen noch den letzten Kreuzer aus uns Bauern. Von diesem Geld kauft er seinem Weib die feinsten Kleider, während unsere Kinder in Lumpen gehen. Nun soll sie bluten für das, was er uns angetan hat!«
Der Bauern johlten, gierige Blicke wanderten über Agnes’ zerrissenes Mieder.
»Nicht die Gräfin war ungerecht zu euch«, warf Mathis ein. »Vergesst nicht, es war der Graf! Lasst mich …«
»Diesmal wirst du uns nicht um unseren Lohn bringen«, zischte ihm der Jockel leise zu. »Diesmal nicht! Die Mönche lassen wir meinetwegen laufen, das sind harmlose alte Zausel. Aber nicht die Gräfin! Die Gräfin ist unser! Gott selbst hat sie uns ins Nest gelegt.«
Mathis’ Versuche, etwas zu erwidern, wurden vom Geschrei der Männer übertönt. Sie brüllten, tobten und grölten. Erst als Agnes selbst die Stimme erhob, wurde es merklich stiller. Stolz hatte sie den Kopf erhoben, nur Mathis bemerkte das leise Zittern, das von ihren Händen aus über den ganzen Körper lief. Tatsächlich sah Agnes in diesem Moment aus wie eine geborene Herrin.
»Wo ist Pater Tristan?«, wollte sie mit fester Stimme wissen.
Hasserfüllt musterte sie der Jockel. »Wer, Vogtstochter?«
»Mein Beichtvater. Ich wollte ihm einen Besuch abstatten. Wenn ich schon sterben soll, will ich ihn wenigstens ein letztes Mal sehen.« Agnes’ Stimme stockte. »Oder ist er etwa tot?«
»Was weiß ich. Wir haben ein paar der Pfaffen ihre fetten Wänste aufgeschlitzt. Mag sein, dass dein Beichtvater auch darunter war.« Achselzuckend sah sich Jockel unter den Bauern um. Es war Mathis, der schließlich antwortete.
»Pater Tristan liegt schwerverletzt im Krankenzimmer«, sagte er leise. Noch immer sah er Agnes nicht an. »Sein Atem geht schwach, aber er lebt noch.«
Der Jockel lachte. »Dann führt sie nur schnell hin zu ihm! Bevor es zu spät ist. Für alle beide«, fügte er nach einer Pause böse lächelnd hinzu. »Wir werden noch heute entscheiden, was mit dem Weib geschehen soll. Der Wasgau braucht ein deutliches Zeichen, dass wir mit unserer Geduld am Ende sind.« Beiläufig gab der Jockel seinen beiden Leibwachen einen Wink. »Jannsen, Paulus, schafft die werte Frau Gräfin zu dem alten Narren. Der Mathis soll euch das Krankenzimmer zeigen. Wenn der Pfaffe noch lebt, soll er ihr die Beichte abnehmen, von mir aus im Schuppen oder in der Latrine, das ist mir einerlei.«
»Es ist wohl besser, wenn ich mitkomme«, meldete sich plötzlich Ulrich Reichhart, der aus der Menge hervorgetreten war. »Ich kenn den Mathis schon länger. Glaub mir, er mag das Weibsstück. Weiß der Teufel, zu was er sich hinreißen lässt.«
Mathis blickte überrascht hinüber zu dem alten Trifelser Geschützmeister. Als dieser nur warnend die Augenbrauen hochzog, schwieg er.
Argwöhnisch runzelte Jockel die Stirn, doch schließlich nickte er. »Du hast recht, sicher ist sicher.« Er winkte herrisch mit seiner dreifingrigen Hand. »Und jetzt geht schon, bevor ich meine gute Tat noch bereue.«
Mit ausgebreiteten Armen wandte der Schäfer-Jockel sich an seine Anhänger. »Die Pfaffen haben uns das Himmelreich auf Erden versprochen!«, schrie er. »Es ist nicht gekommen. Also werden wir ihnen jetzt die Hölle bereiten. Ein reinigendes Feuer, das alle Herrscher vom Antlitz der Erde tilgt! Wollt ihr diesen Weg mit mir gehen?«
Der Männer brüllten wie ein einziges großes Tier.
Während die Bauern jubelten, schritt Agnes gemeinsam mit Mathis, Ulrich Reichhart und den beiden Wachleuten auf das große Klostergebäude zu. Sie hatte den Blick starr geradeaus gerichtet und biss die Lippen aufeinander. Niemals
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